– Wenn Wünsche nicht in Erfüllung gehen
Silke Berg
19. Januar 2023

In einem Märchen von Johann Peter Hebel wird ein mittelloses Ehepaar von einer Fee besucht, welche verspricht, ihnen drei Wünsche zu erfüllen. Obwohl sie trotz Armut eigentlich zufrieden sind, nimmt der Gedanke daran einen riesengrossen Raum ein. Doch dann passiert es: «Aus Versehen» wünscht sich die Frau Bratwürste, die sogleich vor ihr auf dem Teller liegen. Das ärgert den Mann so sehr, weil damit ein Wunsch schon verbraucht ist, dass er unüberlegt sagt: «Ich wünschte, die Würste hingen dir an der Nase.» Und prompt erfüllt sich auch dieser unüberlegte Ausspruch. Die Würste sind jedoch nicht von der Nase wegzubekommen. Das Ehepaar muss nun wohl oder übel seinen letzten freien Wunsch einsetzen, um sie wieder ablösen zu können. Die drei Wünsche sind aufgebraucht, sie haben gestritten und sind nun wieder genauso arm wie zuvor.

Wunschlos glücklich?

Wünsche sind so alt wie die Menschheit selbst. Schon bei Adam und Eva spielten sie eine Rolle. Das Paar lebte in einem wunderschönen Garten und hätte das Leben im Paradies nur noch zu geniessen brauchen. Die Menschheitsgeschichte wäre anders verlaufen, hätten sie es getan. Stattdessen hörten die beiden auf den Rat der Schlange, die den Teufel verkörperte. Dieser redete Adam und Eva ein, dass Gott ihnen etwas vorenthalten würde, weil sie nicht von einem bestimmten Baum essen durften. Er gaukelte ihnen vor, sie wären erst dann vollends glücklich und zufrieden, würden sie von dieser Frucht kosten. In den beiden entstand der Wunsch, das Verbotene zu besitzen.

Dieses Verlangen wurde so gross, dass sie die Frucht nahmen und assen. Die Folgen waren verheerend und wir leiden heute noch darunter. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Wünsche oft erst durch äussere Anreize, Angebote und Werbung von aussen entstehen. Wie geht es uns, wenn unsere Nachbarin mit leuchtenden Augen von ihrer tollen Urlaubsreise erzählt und wir aus Budgetgründen in diesem Jahr zu Hause bleiben? Und wie reagieren wir auf die Werbung, die in Papierform oder digital in unser Leben tritt und uns suggeriert, was wir alles so dringend benötigen?

Erfüllen sich solche Wünsche nicht, lässt sich das eigentlich ganz gut verschmerzen. Wie in der eingangs erzählten Geschichte: Das Leben der Eheleute ging weiter und sie waren trotzdem zufrieden. Lediglich das «Add-on» war weggefallen.

Anders verhält es sich mit unerfüllten Wünschen, die existenziell unser Leben betreffen: Wenn auch nach Jahren kein Kind kommt oder der erhoffte Ehepartner sich nicht findet. Wenn ich mir Anerkennung an meinem Arbeitsplatz wünsche, stattdessen eher Mobbing erlebe. Wenn es ständig Streit und Konflikte in meiner Familie gibt, wo ich mich doch so sehr nach Frieden und Harmonie sehne. Oder wenn die Erkrankung immer schlimmer wird, ohne Aussicht auf Heilung.

In der Bibel finden wir einen Vers dazu, den wir gut nachvollziehen können: «Hingezogene Hoffnung macht das Herz krank, aber ein eingetroffener Wunsch ist ein Baum des Lebens» (Spr. 13,12).

Dieser Satz beschreibt, wie unser Herz leidet. Es ist eine echte, tiefe Not vorhanden und keine Kleinigkeit, die sich abschütteln lässt.

Destruktiver Umgang

Ist es denn falsch, Wünsche zu haben? Bestimmt nicht; aber es ist möglich, in einer negativen Weise damit umzugehen, die das Problem nur noch verstärkt.

Neid auf andere, privilegierte Menschen. Wie reagieren wir auf Personen in unserer Umgebung, denen es scheinbar besser geht und die das haben, was wir uns sehnlichst wünschen? Meiden wir sie, weil wir es ihnen nicht gönnen und wir uns nicht mit ihnen mitfreuen können? Zugegeben: Es ist keine einfache Übung, sich mit jemandem zu freuen, der genau das genies­sen darf, was mir versagt bleibt. Aber Neid macht mich auch nicht glücklich, sondern frisst Löcher in mein Herz und vergiftet die Atmosphäre.

Verbitterung und Resignation. Werde ich verbittert und fatalistisch nach dem Motto: «In meinem Leben geht ja doch alles schief. Bei anderen klappt es, aber mir ist es nicht vergönnt»? Man gibt Aktivitäten auf, «weil ja doch alles keinen Sinn macht». Die Verbitterung kommt aus allen Poren und verletzt mit ihren feinen Nadelstichen meine Mitmenschen. Durch negative Bemerkungen wird das Glück der anderen madig gemacht, weil ich überzeugt bin, dass es mir mindestens ebenso zustehen würde.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 02/2023