Leider habe ich ihn nie persönlich kennengelernt, diesen grossen Apologeten des 20. Jahrhunderts. Aber es waren seine Bücher und Filme, die mein geistliches Leben und das Tausender anderer junger Menschen nachhaltig prägten.
Yvonne Schwengeler
7. September 2018

Francis A. Schaeffer (1912–1984) kam mit 17 Jahren – nachdem er die Bibel zweimal vollständig durchgelesen hatte – zum Glauben an Jesus Christus. Schon als Teenager beschäftigten ihn viele Fragen über das Leben. Die philosophischen Bücher gaben ihm darauf keine befriedigenden Antworten, wohl aber die Bibel.

Schaeffer wuchs in Pennsylvania auf und heiratete Edith Seville, die Tochter eines China-Missionars. Er studierte Theologie und wurde vor allem im englischsprachigen Raum bekannt durch seine Veröffentlichungen, die ein breites Spektrum geistlicher und gesellschaftlicher Themen abdeckten.

Als mein Mann Bruno und ich Anfang der 70er-Jahre den Schwengeler-Verlag gründeten, stiessen wir auf Schaeffers Schriften, die nun auch ins Deutsche übersetzt wurden.

Ausserdem wurde Schaeffers Lebensgemeinschaft L’Abri (Unterschlupf) in Huemoz-sur-Ollon, in den Schweizer Alpen, unter gläubigen jungen Christen zu einem Begriff. Viele Studenten pilgerten nach L’Abri und fanden dort Antworten auf ihre Fragen. Die liberale Theologie, die an den Universitäten mehr und mehr Einfluss gewann, verunsicherte die jungen Leute. Schaeffer gab ihnen durch logische Argumente und historische Beweise für die Wahrheit der Bibel das nötige Rüstzeug in die Hand.

Schaeffers äusseres Markenzeichen waren Knickerbockerhosen und rot gestrickte Kniestrümpfe. Damals, als Anzug und Krawatte ein Muss war für jeden Vortragsredner, war dieser Look auffallend. Schaeffer schien das nicht zu kümmern, er blieb auch äusserlich authentisch.

Bruno besuchte Schaeffer zusammen mit Chuck Colson, dem ehemaligen Sonderberater des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon. Colson hatte im Laufe der Watergate-Affäre durch ein Buch von C. S. Lewis zum Glauben an Jesus Christus gefunden. Beide, mein Mann und Chuck, waren schwer beeindruckt von der Klarheit, mit welcher Schaeffer die Absolutheit Gottes und die Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit der Bibel vertrat.

Die Folgen der Aufklärung

Schaeffer beklagt in seinen Büchern den moralischen Zusammenbruch der Gesellschaft, der seit der Aufklärung erschreckende Ausmasse angenommen hat. Die moralischen Grundfesten wurden erschüttert. Jede Form moralischer Perversion wird als normal dargestellt. Massstäbe werden als einengend empfunden. Die Ethik wird, so Schaeffer, mehr und mehr vom Prinzip der Nützlichkeit bestimmt.

Schaeffer zeigt auf, dass Freiheit ohne Autorität zu Anarchie und Chaos; Autorität ohne Freiheit in die Diktatur und zur Zerstörung individueller und sozialer Freiheit führen. Da sich der Mensch zunehmend von Gott löst und sich selbst zum Mass aller Dinge macht, bestimmt er selbst in autonomer Freiheit, was gilt.

Schaeffer sieht den entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Zerstörung der christlichen Basis im antichristlichen Charakter der Aufklärung. Die Leugnung des Übernatürlichen, der Glaube an die Unabhängigkeit der menschlichen Vernunft, die Kritik an Gottes Wort, die Ablehnung der Gottheit Jesu und seiner Auferstehung – diesen Paradigmenwechsel umschreibt Schaeffer in seinem Buch «Preisgabe der Vernunft». Erlösung geschieht nicht mehr durch Christus, sondern durch die Vernunft des Menschen. Der Fortschritt ist der neue Weg zum Paradies.

Die grosse Anpassung

Schaeffer ruft die gläubigen Christen auf, diesem relativistischen Denken gegenüber offensiven Widerstand zu leisten. Er erhebt die Anklage, dass manche Evangelikale sich zwar so nennen, es im Grunde aber nicht sind, weil sie durch Anpassung die Kraft des göttlichen Wortes abschwächen. Die Ursache hierfür, so schreibt Lutz von Padberg im Vorwort zu «Die grosse Anpassung», sei die mangelnde Bereitschaft zur Konfrontation, die Folge: Angleichung an den Zeitgeist.

Man hält sich selbst in evangelikalen Kreisen für grundlegend im Bereich der religiösen Erfahrung, aber für fehlbar in den Bereichen der Vernunft und der Wissenschaft. So wird das Wort Gottes der Kritik durch den Zeitgeist unterworfen, anstatt Gesellschaft und Kultur durch die Bibel infrage zu stellen.

Nicht mehr die Schrift, sondern die religiöse Erfahrung mit Gott wird die Entscheidungsinstanz für das Glaubensleben. Hauptsache für den Gläubigen wird die undogmatische Begegnung mit Jesus.

Schaeffer wurde nicht müde zu sagen, das Christentum beruhe auf einem realen Inhalt und die Gemeinde Jesu müsse heute als wahrhaft revolutionäre Kraft laut und deutlich verkündigen, dass es eine Wahrheit gibt. Bedenklich sei es, dass viele Evangelikale die ersten Kapitel der Bibel so interpretieren, wie die moderne Theologie die ganze Bibel interpretiert: Sie trenne die Aussagen der Bibel über Geschichte in Zeit und Raum von den «religiösen Wahrheiten».

Fast schon prophetisch zeigt Schaeffer auf, dass das Fehlen einer klaren Haltung der Schrift gegenüber – ohne Verwurzelung in dem einzigen tragbaren Fundament – es den Evangelikalen unmöglich machen wird, den kommenden Auseinandersetzungen standzuhalten, da alles darauf hindeute, dass die Konflikte in Zukunft an Schärfe zunehmen.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 09/2018.