Unzählige Menschen kreuzen während des Lebens unseren Weg. Manche hinterlassen einen flüchtigen Eindruck, manche sind für eine gewisse Zeit wichtig und wenige prägen unser Leben nachhaltig. Sie hinterlassen Spuren, Fussstapfen, in die wir treten können. Eine dieser Persönlichkeiten war für mich Arthur Ernest Wilder-Smith (geb. 1915, gest. 1995).
Yvonne Schwengeler
8. Juli 2018

Der Kontakt entstand in den Siebzigerjahren. A. E. Wilder-Smith, wissenschaftlicher Autor unserer Verlagsgruppe «Telos», wohnte damals in der Schweiz. Viele Jugendliche, die das Evangelium hörten, waren verunsichert, weil sie in der Schule und auch im Religionsunterricht gelehrt wurden, der Schöpfungsbericht sei ein Märchen, wissenschaftlich nicht haltbar. Zum Thema «Schöpfung oder Evolution» gab es kaum Publikationen. Wilder-Smith gehörte meines Wissens in unseren Landen zu den wenigen Naturwissenschaftlern, die den christlichen Kreationismus öffentlich vertraten.

Vom Atheisten zum überzeugten Christen

Nach seinem Abitur, das er mit 16 Jahren abschloss (zwei Jahre früher als üblich), studierte er an der Uni Oxford Naturwissenschaften und erhielt 1941 seinen ersten Doktor in Organischer Chemie. Von seinen damaligen Professoren mit der Evolutionstheorie geimpft, wurde er Atheist. Während dieser Zeit lernte er einen englischen General kennen, der mit ihm über den christlichen Glauben sprach. Er fühlte sich dem naturwissenschaftlich ungebildeten Mann gegenüber haushoch überlegen, kam aber doch ins Grübeln über dessen Zeugnis. In der Folge bekehrte er sich und wurde überzeugter Christ.

Anschliessend betrieb er Krebsforschung in London und war später Forschungsleiter einer Schweizer Firma. An der Uni Genf hielt A. E. Wilder-Smith von 1955–1964 Vorlesungen in Chemotherapie und Pharmakologie und erhielt den zweiten Doktortitel. Im gleichen Jahr wurde ihm von der ETH Zürich sein dritter Doktortitel verliehen.  

Wilder-Smith hatte diverse Lehrstühle an europäischen und amerikanischen Universitäten inne. Stark wachsender Drogenmissbrauch unter den Truppen der NATO-Streitkräfte veranlasste die höheren Offiziere, Wilder-Smith als Drogenexperten einzustellen. Er arbeitete von 1970 bis 1977 im Range eines Drei-Sterne-Generals der NATO in Europa, entwickelte Anti-Drogen-Programme für das Militär und hielt Vorträge, in denen er die Wirkung von Drogen demonstrierte.

Ein Gentleman durch und durch

Etliche Male hielt sich A. E. Wilder-Smith in den 70er- und 80er-Jahren als Gast in unserem Haus auf. Er war ein hervorragender Erzähler, dem wir buchstäblich an den Lippen hingen. Wilder-Smith wuchs in England auf dem Land auf. Sein Vater stammte aus einer gut betuchten Gutsbesitzerfamilie und war Landwirt und Freimaurer im höchsten Rang. Arthurs Mutter, eine gläubige Frau, war Lehrerin von Beruf. Er hatte drei Schwestern und einen Bruder. Die Spannung zuhause, verursacht durch die divergenten Auffassungen der Eltern, belastete die Kinder. Dazu kam, dass die Kirche damals eine tote Kirche war, ohne Bekenntnis, das den Buben hätte überzeugen können.

Unvergesslich, wie A. E. beschrieb, wie er, 11-jährig, seinen um ein Jahr jüngeren Bruder dazu anstiftete, mit ihm zusammen den vom Vater streng gehüteten 3-Liter-Bentley aus der Garage zu holen, um eine Spritztour zu machen! Und wie er uns vor Augen malte, in welchen Nöten er und sein Bruder sich danach befanden, obwohl der Vater nichts davon bemerkt hatte und kein Schaden entstanden war. Aber sie konnten ihm nicht mehr in die Augen sehen und gingen ihm aus dem Weg. Schliesslich peinigte die beiden das Gewissen so stark, dass sie mit bangem Herzen den Ungehorsam gestanden. Statt der Reitpeitsche, die sie erwartet hatten, «begnadigte» sie der Papa, weil sie ihr Fehlverhalten ehrlich zugegeben hatten.

Zweifellos hatte A. E. eine gute Erziehung genossen. Er war durch und durch Gentleman, ein richtiger Engländer eben. Aber seine Höflichkeit wirkte nie aufgesetzt, sondern echt, geprägt von Respekt jedem Menschen gegenüber. Das zeigte sich nicht nur in den Disputen mit Andersdenkenden, sondern auch im Umgang mit seiner Frau Beate. Unsere Kinder beobachteten mit offenen Mündern, wie er seiner Liebsten am Tisch die besten Stücke auf den Teller legte und das Gespräch immer wieder unterbrach, um zu sehen, ob sie auch alles hatte, was sie brauchte.

Sie, eine Deutsche und Tochter eines Pfarrers, war eine gebildete Frau, die sich im Hintergrund hielt, ihren Mann aber tatkräftig unterstützte. Die beiden hatten vier Kinder, die – soviel ich weiss – alle Ärzte wurden.

Ein Naturwissenschaftler auf der Kanzel

A. E. Wilder-Smith ist Verfasser von mehr als 70 wissenschaftlichen Publikationen und über 20 Büchern zu verschiedenen Themen. Er behandelte sowohl theoretische als auch experimentelle Probleme des Neodarwinismus und formulierte Einwände. Seine Origin-Filme wie auch seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. Etliche sind in unserer «Telos»-Verlagsgruppe erschienen. «Herkunft und Zukunft des Menschen», «Naturwissenschaften kennen keine Evolution» oder «Grundlage einer neuen Biologie» u. a. avancierten zu Bestsellern. Sie gaben vielen gläubigen Wissenschaftlern Anstoss, mit ihrer Überzeugung selbst an die Öffentlichkeit zu treten. Wilder-Smith schämte sich des Evangeliums nicht und bezeugte seinen Glauben an Jesus Christus und an die Irrtumslosigkeit der Bibel, auch wenn er dafür Häme erntete. Die schlichte Art seines Zeugnisses und seine Kompromisslosigkeit beeindruckten mich als junge Frau zutiefst. Weil er vor Gott seine Knie beugte, konnte er vor Menschen gerade stehen.

Wilder-Smith scheute keine Auseinandersetzung. Faszinierend fand ich, wie er diese Debatten führte. Da spürte man keine Verbissenheit, auch keine Aggressionen gegenüber dem Gegner, wohl aber klare Überzeugungen, die er mit vielen stichhaltigen, nachvollziehbaren Argumenten vertrat. A. E. verfügte über ein enormes Wissen auf den verschiedensten Gebieten.

(Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 07/2018)