Stellen Sie sich vor, eine fremde Person zieht für ein halbes Jahr in Ihren Haushalt. Was könnte sie beobachten und was würde sie über die Gewohnheiten in Ihrer Ehe erzählen?
Sabine Kähler
21. März 2024

Marlene und Micha streiten nicht, bis die Fetzen fliegen, sie schreien sich auch nicht an. Aber wer etwas Zeit mit den beiden verbringt, fühlt sich doch hin und wieder peinlich berührt von einigen Verhaltensmustern, die sie an den Tag legen. Micha spricht oft in einem harschen Ton mit seiner Frau und wirkt ungehalten, wenn etwas nicht so läuft, wie er es sich vorstellt. Ihre Bedürfnisse scheinen für ihn keinen hohen Stellenwert zu haben.
Marlene hingegen reagiert gereizt und ungeduldig auf ihren Mann, weist ihn öffentlich zurecht und verdreht auch schon mal die Augen, wenn sie von ihm genervt ist.

Marlene und Micha sind überzeugte Christen, die mit Jesus leben. Ihr Engagement in Gemeinde und Umfeld ist vorbildlich – und doch haben sich in ihrer Ehe Gewohnheiten eingeschlichen, die die Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses schmälern und ihr Leben belasten. Die Freude aneinander ist selten geworden.

Auf den ersten Blick scheinen Hanna und Herbert ein harmonisches Paar zu sein. Doch jeden Abend nach dem Essen zieht sich Herbert in sein Arbeitszimmer zurück, arbeitet noch ein wenig am Computer oder bereitet sich auf einen Dienst in der Gemeinde vor. Hanna dagegen bringt die Kinder ins Bett und verbringt den Rest des Abends allein. Tiefe Gespräche haben die beiden schon lange nicht mehr geführt, der Austausch bleibt oberflächlich und beschränkt sich oft auf Organisatorisches.

Und dann sind da noch Lisbeth und Bruno. Das Paar ist seit mehr als 30 Jahren verheiratet. Wer die beiden länger beobachtet, spürt eine tiefe Verbundenheit. Ihr Umgang miteinander ist liebevoll und von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Auch nach so vielen Ehejahren führen sie angeregte Gespräche und hören einander aufmerksam zu.

Unweigerlich fragt man sich: Wie ist es den beiden gelungen, in ihrer Ehe Verhaltensmuster zu verankern, die ihrer Beziehung gut tun und Jesus die Ehre geben?

Tausend kleine Momente

Der Begriff «Gewohnheit» ist oft negativ besetzt. Wir denken an Routinen, die sich eingeschlichen haben oder an eingefahrene schlechte Verhaltensweisen. Zunächst ist eine Gewohnheit ein erlerntes Verhalten, das so oft wiederholt wird, dass es irgendwann automatisch abläuft, ohne dass wir noch darüber nachdenken. Gewohnheiten können aber durchaus positiv sein. Auch die Bibel spricht darüber: Jesus ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge, er lehrte die Volksmenge, wie er es gewohnt war und er suchte, nach seiner Gewohnheit, den Ölberg, einen Ort der Stille auf, um dort zu beten (Luk. 4,16; Mark. 10,1; Luk. 22,39). Und Salomo lehrt: «Gewöhne den Knaben an den Weg, den er gehen soll, so wird er nicht davon weichen, wenn er alt wird!» (Spr. 22,6).

Gewohnheiten prägen unseren Charakter. In gleicher Weise werden unsere Ehegewohnheiten den Charakter unserer Ehe bestimmen. «Eine Ehe wird nicht durch drei oder vier grosse Momente geformt. Eine Ehe wird durch tausende und tausende Gewohnheiten geformt. Die kleinen Momente deiner Ehe sind so wichtig. Wenn du nicht an den kleinen Momenten deiner Ehe interessiert bist, bist du nicht an deiner Ehe interessiert. In diesen kleinen Momenten werden Gewohnheiten geformt. Diese Gewohnheiten legen die Spuren, auf denen sich deine Ehe bewegt. Sie geben die Richtung deiner Ehe vor. Jede Ehe ist eine Sammlung aus Gewohnheiten. Es ist unmöglich, dass deine Ehe nicht durch Gewohnheiten geformt wird» (Paul Tripp).

Du + ich + Gott – Gute «geistliche» Gewohnheiten etablieren

In manchen Ehen wird nur am Sonntagmorgen über Jesus gesprochen. Das ist schade, denn es entsteht eine tiefe Kommunikationsebene, wenn sich ein Ehepaar über geistliche Wahrheiten, über eigene Erfahrungen mit Gott oder über geistliche Ziele austauscht. Was sagt dir Gott durch diesen Bibeltext? Was hat dich in der Predigt besonders angesprochen? Welche Ängste und Zweifel hast du im Blick auf Gott? Wie können wir ein starkes Gespann für Gott werden? Wie kann ER noch mehr zum Mittelpunkt unseres Lebens und Handelns werden? In solchen Gesprächen können sich Paare gegenseitig ermutigen, liebevoll zurechtweisen und austauschen, was sie in ihrem Herzen erkannt haben. «Gebt dem Wort des Christus viel Raum in euch und lasst es so seinen ganzen Reichtum entfalten! Belehrt und ermahnt euch gegenseitig mit aller Weisheit!» (Kol. 3,16).

Als Eheleute gemeinsam zu beten ist eine ebenso wertvolle Gewohnheit.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 03/2024