Drei Jungs, dann ein Mädchen und kurz darauf der Einzug ins eigene Heim. Das Familienglück scheint perfekt – doch dann fällt die Mutter in eine schwere Depression. Rahel und Silvan Bajer erinnern sich im Interview mit ethos an die bisher dunkelste Zeit ihres Lebens.
Daniela Wagner
2. Dezember 2018

Ihr habt vier Kinder im Alter von zwei bis sieben Jahren. 2017, einige Wochen nach der Geburt von Malina, eurer kleinen Tochter, zogen dunkle Wolken am Horizont auf. Was ist geschehen?

Rahel: Ende Mai 2017 stillte ich ab, da meine Milch zurückging. Ich fühlte mich ständig müde und überfordert, den Alltag mit vier Kindern zu meistern. Immer mehr zweifelte ich an meinen Fähigkeiten als Mutter, wollte aber gleichzeitig alles richtig machen.  

Silvan: Wir hatten uns als Familie sehr gut eingelebt, trotz Stress und vieler Termine, die der Hausbau und der bevorstehende Umzug mit sich brachten. Etwa vier Monate nach der Geburt von Malina konfrontierte mich Rahel des Öfteren mit Dingen, die sie verunsicherten. Sie fing an, ihre Arbeitsweise mit derer anderer Mütter zu vergleichen. Das kannte ich in diesem Ausmass nicht von ihr.

Wie habt ihr das alles eingeordnet?

Rahel: Mir fiel vorerst nichts auf. Ich versuchte einfach meine Hausarbeit zu erledigen und die Kinder möglichst gut zu betreuen.  

Silvan: Erst dachte ich, meine Frau sei einfach erschöpft und überfordert. Mit der Zeit merkte ich, dass sie gewissen Aufgaben gar nicht mehr nachkam. Sie konnte sich plötzlich nicht mehr entscheiden, wie, was und wann sie etwas erledigen sollte.

Wie ging es weiter?

Rahel: Alles begann schleichend. Ich fühlte mich zunehmend gestresst. Manchmal war mir, als bekäme ich keine Luft mehr. Obwohl müde, konnte ich am Abend einfach nicht einschlafen. Morgens kam ich dafür kaum aus dem Bett. Ich hatte null Motivation für irgendetwas. Sogar meine Körperpflege vernachlässigte ich. Ständig hinterfragte ich mich und hatte Mühe, mich zu konzentrieren (z. B. beim Einkaufszettel schreiben). Ich war so blockiert, dass ich nichts mehr anpacken konnte, nicht einmal den Brei für Malina kochen brachte ich auf die Reihe.

Auch sozial zog ich mich zurück. Mit meinen Kindern sprach ich kaum mehr und vermied es, mit ihnen nach draussen zu gehen. Ich dachte, die Leute rundherum würden mich ständig beobachten, wüssten von meinen Problemen. Vor dem ersten Schultag unserer beiden Ältesten hatte ich regelrecht Panik. Ich empfand weder Freude noch konnte ich weinen und Trauer spüren. Ich war innerlich leer und total gefühllos. Auch beim Bibellesen konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Für all das gab ich mir die Schuld. Schliesslich zweifelte ich selbst daran, je eine echte Entscheidung für Jesus getroffen zu haben ...

Oft sass oder stand ich einfach nur da oder lief ziellos im Zimmer umher. In meinem Kopf kreisten die Gedanken unablässig. Schliesslich war ich so verzweifelt, dass ich meiner Familie einen Abschiedsbrief schrieb und mir das Leben nehmen wollte ... und dies einen Tag, bevor unsere grossen Buben ihren ersten Schul- bzw. Kindergartentag hatten.

Silvan: Um Rahel zu entlasten, nahm ich ihr vermehrt Dinge ab: Wäsche sortieren, kochen, mit den Kindern spielen, usw. Ich merkte jedoch immer mehr, dass ich gegen eine Wand ankämpfte. Auch ein Wochenende ohne Kinder in einem christlichen Haus brachte Rahel keine Besserung.

Abend für Abend sassen wir auf dem Sofa und redeten über alles, was ihr zu schaffen machte. Eines Tages eröffnete sie mir, dass sie keine Heilsgewissheit habe. Ihr Leben als Christ sei ein einziges Schauspiel ...

In meiner Unwissenheit darüber, was sich bei Rahel wirklich abspielte, versuchte ich ihr zu erklären, dass solche Glaubenskrisen normal seien. Doch sie beharrte darauf und sagte mir klar, dass sie mich in dem Sinne auch betrogen hätte, da ich davon ausging, eine an Jesus Christus gläubige, wiedergeborene Frau geheiratet zu haben. Ich war zutiefst erschüttert.  

Von dem Zeitpunkt an realisierte ich, dass meine Frau, und wir als Familie, in einer ganz notvollen Situation steckten. Die Anzeichen, es könnte sich um eine Depression handeln, verdichteten sich schnell, als ich im Internet Berichte darüber las.

Wir brauchten dringend Hilfe. Ich fragte uns nahestehende Personen, unseren gläubigen Hausarzt und einen gläubigen Psychologen um Rat und Tipps, was wir konkret tun könnten.

Rahel, du wolltest dir sogar das Leben nehmen ... Kannst du beschreiben, was damals in deinem Innern ablief?

Rahel: Wie gesagt war ich völlig gleichgültig und emotionslos. Ich konnte mich nicht mehr mal an unserer kleinen Tochter freuen, die ich mir ja so sehnlichst gewünscht hatte! So darf es nicht mehr weitergehen, dachte ich. Ich bin allen nur noch eine Last und für nichts mehr zu gebrauchen. Besser, ich gehe ...

Lesen Sie das ganze Interview in ethos 12/2018.