Ehe – Ort der Machtkämpfe oder Übungsfeld, an Verschiedenheiten zu wachsen und den Partner als Geschenk Gottes zu sehen, das es zu feiern, zu lieben und wertzuschätzen gilt? Nicola und Helmut Vollkommer im Gespräch mit ethos. Die beiden sind seit 1982 verheiratet.
Daniela Wagner
13. April 2019

Nicola, du schreibst in deinem Artikel: «In der Welt muss ich alles dransetzen, den richtigen Partner zu finden. Im Reich Gottes darf ich alles dransetzen, der richtige Partner zu werden.» Dennoch hattet ihr sicher beide gewisse Auswahlkriterien bei der Partnerwahl. Was war euch wichtig?

Helmut: An erster Stelle, Liebe zu Jesus Christus und Hingabe an den Bau seines Reiches. Zweitens, netter umgänglicher Charakter. Drittens, attraktives Aussehen ;-)

Nicola: Ich wollte einen Ehemann, der Jesus von ganzem Herzen liebhat und dies nicht nur in seiner Rhetorik zum Ausdruck bringt, sondern in seinem Lebensstil. Ich wollte kein «Dekostück» für einen Mann sein, der nur nach Ansehen und Erfolg sucht. Gut aussehend durfte er allerdings sein ...

Ihr seid in unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen und dementsprechend geprägt. Gibt es da nicht oft Missverständnisse? Wenn ja, wie geht ihr damit um?

Helmut: Unsere vielen Unterschiede sind weniger kultureller Art, sondern haben ihre Ursache mehr in der Unterschiedlichkeit von Persönlichkeit und Herkunfts-Familien-Kultur. Da gab und gibt es Missverständnisse, die man oft erst im Missklang oder Streit bemerkt, und wir uns dann um das richtige gegenseitige Verständnis bemühen müssen, quasi «Versöhnung».

Nicola: Ja, ich komme aus einer kommunikativen Familie (drei Mädchen!). Es wird viel erzählt, ermutigt, ausgetauscht – viele Emotionen! Mein Mann ist eher wortkarg und nüchtern. Manchmal interpretiere ich das als Zurückweisung oder mangelndes Interesse, und er versteht nicht so recht mein Bedürfnis nach Austausch und Zuspruch.

Das häufigste Problem, mit dem Eheberater konfrontiert sind, ist eine gestörte Kommunikation. Wie entsteht eine gute Gesprächskultur?

Helmut: Meine Frau mag Aufmerksamkeiten jeder Art(!), aber am allermeisten schätzt sie das Gefühl, ernst genommen zu werden, auch und gerade bei Themen, in denen wir unterschiedlicher Meinung sind.

Ich musste und muss meine Frau immer noch besser kennenlernen, welche Themen ihr wichtig sind, und in diesen Bereichen möglichst zeitnah kommunizieren, was ihr dabei wichtig sein könnte (das ist i. d. R. weit mehr, als ich für relevant erachte). Kommunikationspausen sind zu vermeiden – allezeit dranbleiben! Gerade wir Männer müssen das oft bewusst tun, was bei Frauen selbstverständlich abläuft.

Nicola: Eine gute Gesprächskultur entsteht durch Gespräche! Wer sich Zeit dafür nimmt, erspart sich langfristig unnütze Zeit mit Streit und Konflikten. Probleme nicht von sich schieben, die Bedürfnisse des Partners kennenlernen (was hilft ihm/ihr? Welche Liebessprache versteht er/sie?), Spannungen nicht eskalieren lassen, ja nicht schweigen – lieber konstruktiv streiten als sich zurückziehen.

Streit kommt in den besten Ehen und Familien vor. Unterschiedliche Meinungen und Standpunkte provozieren Auseinandersetzungen. Wie gehen Eheleute da konstruktiv und fair miteinander um?

Helmut: Die Ruhe bewahren, niemals auf Pauschalunterstellungen zurückgreifen («du immer, du nie»). Vergangenes begraben lassen, nicht immer wieder hervorholen.

Wenn es um Kleinigkeiten geht, lasse ich meine Frau lieber recht haben, als mit ihr zu streiten! Ein Beispiel: Sie arbeitet anders als ich. Zack, zack, alles nacheinander konsequent erledigen, damit man sich der nächsten Aufgabe widmen kann. Ich bin langsamer, manchmal gründlicher, schlafe lieber über Dingen. Wenn wir gemeinsam an einer Sache arbeiten, versuche ich ihr zuliebe, nach ihrem Tempo zu arbeiten.

Nicola: Und ich muss lernen, bei unwichtigen Dingen nicht zu viel Stress zu machen und mich seinem Tempo anzupassen. Sonst fange ich an zu manipulieren. In wichtigen Entscheidungen überlass ich meinem Mann das letzte Wort – und vertraue auf den Herrn, dass es gut ausgeht! Eine Zeit lang habe ich ihn angefleht, aus der Gemeindearbeit auszusteigen. Ich hatte das Gefühl, aufgrund seines Pastorendienstes keine echten Freunde zu haben, fühlte mich einsam und befürchtete, der Dauerstress des Gemeindelebens würde unseren Kindern schaden. Inzwischen bin ich froh, dass mein Mann «nein» sagte!

Wie können Gesprächsbarrieren überwunden werden?

Helmut: Sie aktiv angehen, auch wenn man keine Lust hat. Themen, die unterdrückt werden, rächen sich irgendwann.

Nicola: Sich gerade den empfindlichen Bereichen stellen. Ich gehe z. B. an die Decke, wenn Helmut kein Verständnis für meine Krisen im Umgang mit meinem Computer zeigt. Ich muss lernen, dass er es nicht böse meint. Und er muss lernen, Geduld zu üben, und nicht davon auszugehen, dass ich ihn absichtlich nerven und seine Zeit stehlen will.

Lesen Sie das ganze Interview in ethos 04/2019.