«Ja, ich bin vom Leben enttäuscht! Vom Leben an sich, nicht von meinem. Das Leben bietet nichts, überhaupt nichts Wertvolles. Jeden Tag in die Arbeit trollen ... man lebt wie ein Hamster in einem Käfig. Man kann Party machen oder auch nicht, zu Hause bleiben oder auch nicht. Im Endeffekt ist es doch egal. Man kann Sport machen, um seinen Körper zu formen, um von anderen oberflächlichen Leuten attraktiv gefunden zu werden – aber im Endeffekt ist es wieder gleichgültig und bestimmt nicht den Sinn des Lebens. Das Leben ist nichts ... es führt zu nichts ... es führt ins Leere ... Man kann nur versuchen, sich von dieser Wahrheit abzulenken, indem man sich die Zeit vertreibt und sich was in die Tasche lügt ... oder anders gesagt, davonläuft ... sein ganzes Leben lang. Und dann stirbt man, man stirbt unwissend, ohne was bewegt zu haben.»
Erika Paulini
13. August 2018

Diese deprimierende Bilanz über das Leben ganz allgemein habe ich in einem Forum gefunden. Das Gefühl der Sinnlosigkeit  ist vermutlich weiter verbreitet, als wir denken. Viele fühlen sich enttäuscht, verraten, belogen und fragen sich: Lohnt es sich überhaupt zu leben?

Auf die Erwartungen kommt es an

Jeder von uns ist schon enttäuscht und verletzt worden. Enttäuschungen gehören zum Leben, zum Menschsein dazu. Wir sind nicht vollkommen und machen Fehler. Nicht nur wir, auch die andern! Und doch – von ihnen erwarten wir, dass sie sich uns gegenüber immer so verhalten, wie wir es uns wünschen. Das Ergebnis? Wir werden enttäuscht – von Menschen, von uns selbst, vom Leben, von Gott ...

Unsere Erwartungen erfüllen sich oft nicht. Je höher sie sind und je wichtiger das Ereignis für uns ist, desto grösser unsere Enttäuschung. Das führt zu Frust. Ralf Kunke schreibt: «Man ist nicht enttäuscht von dem, was ein anderer tut (oder nicht tut), sondern nur über die eigene Erwartung an den anderen.» Enttäuscht wird, wer zu viel erwartet!

Das Wort Enttäuschung beinhaltet die Silbe «Ent» und den Wortstamm «Täuschung». Wir haben uns in einer Sache, einem Menschen, in uns selbst getäuscht. Etwas stimmt nicht so, wie wir es angenommen oder gewünscht haben. Die Enttäuschung bringt die Wahrheit ans Licht, ist sozusagen das Ende einer Täuschung.

Da hat man sich wegen einer Arbeitsstelle beworben, für die man sich qualifiziert hält, und bekommt eine Absage: «Wir haben uns für jemand anderen entschieden.»

Die Arbeitskollegin tratscht hinter unserem Rücken über uns, der Chef zieht andere vor, der Partner betrügt uns, die Kinder kommen nie zu Besuch ...

Oder man ist enttäuscht von sich selber. Warum reagiere ich so? Weshalb habe ich die Kinder wieder angeschrien? Warum war ich so ungerecht zu meiner Schwester? Mürrisch gegenüber meinem Ehepartner?

Enttäuschungen sind mit traurigen Gefühlen und oft mit Kränkungen verbunden. Ärger und Wut, die man mit sich herumträgt, können Depressionen auslösen. Eine grosse Enttäuschung wirkt sich auf das ganze Leben negativ aus, wenn man Bitterkeit zulässt und sich von Menschen zurückzieht.

Prof. Dr. Dr. Eberhard Grossmann schreibt: «Unter seelischen Verletzungen verstehen wir Verwundungen, die einem Menschen von nahen Verwandten, guten Freunden oder gar Glaubensgeschwistern zugefügt worden sind, und die gerade deshalb so nachhaltig schmerzen. Der Betreffende leidet auch in der Erinnerung sehr an der Untreue und Hartherzigkeit von Personen, von denen er eigentlich etwas Anderes, etwas Besseres erwartet hätte. Diese Verletzungen zerstören die Lebensfreude und vermindern die Energie, die ein Mensch zur Bewältigung seines Alltags braucht. Und weil sie tief im Innern der menschlichen Seele wirksam sind, kommt es bei diesen Verletzungen nur sehr schwer zu einer Heilung. Die Welt bietet bei diesen Nöten kaum Hilfe. Dagegen stellt die göttliche Offenbarung der Bibel im 1. Buch Mose in der Geschichte des Josef dem Leser einen Weg vor Augen, wie auch tiefgehende seelische Verletzungen geheilt werden können.»

Wunde Punkte

Wie tief eine solche Verletzung geht, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

Jemand mit geringem Selbstwertgefühl fühlt sich durch Kritik, Nichtbeachtung oder Ablehnung durch andere schneller verletzt als jemand, der sich von Gott angenommen und geliebt weiss. Erstere sehen manchmal Kritik und Ablehnung, wo gar keine ist: «Sabine hat mich am Sonntag wieder nicht gegrüsst, sie lässt mich bewusst links liegen», oder: «Als meine Kollegin über gesundes Essen sprach, war das ein Seitenhieb für mich, weil ich zu dick bin.» Das Gedankenkarussell dreht sich und steigert sich immer mehr in unsinnige Vorstellungen.

Auch wenn wir körperlich geschwächt oder emotional angeschlagen sind, treffen uns negative, enttäuschende Kommentare tiefer. Unerwartete Umstände und Nachrichten gehen uns stärker nach. Dabei fühlen sich Frauen in der Regel schneller verletzt als Männer.

Haben wir bereits wunde Punkte, sind wir gefährdet, Kommentare dazu als besonders verletzend zu erleben – so wie Cornelia. Ihre ältere Schwester hatte immer recht, dadurch fühlte sich Cornelia klein, dumm, weniger wert, ungenügend. Diese immer wiederkehrende Erfahrung sitzt so tief, dass sie bis heute in Diskussionen Mühe hat und unsicher ist. Die Situation von früher wird übertragen auf das Jetzt. Ärger, Neid und Angst kommen hoch und  Cornelia zieht sich zurück.

Die Frage stellt sich: Wie gehen wir mit Enttäuschungen und Verletzungen um? Zerstören sie unser Leben? Zerbrechen wir daran oder führen sie uns in einen Reifungsprozess hinein?

(Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 08/2018)