Gender-Mainstreaming ist längst zu einem Modewort geworden, doch die Wenigsten wissen, dass sich dahinter die Auflösung der Geschlechter verbirgt.
Johannes Hoster
9. Juli 2017

Dies bestätigte eine Umfrage, die ich kürzlich durchgeführt habe. Die Mehrheit der befragten Personen konnte mit dem Begriff «Gender-Mainstreaming» nichts anfangen, einige wenige meinten,  dass es wohl etwas mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau zu tun habe, und lediglich zwei Personen waren sich sicher, dass es letztlich um die Auflösung der Geschlechterordnung geht.

Angesichts dieser grossen Unkenntnis frage ich mich, weshalb die Gesellschaft nicht mehr darüber informiert wird. Wäre es nicht die Pflicht der Politiker, die Bürger aufzuklären? Oder steckt System dahinter, diesem Thema möglichst wenig Beachtung zu schenken?

Als mein Sohn 2001 zur Welt kam, wurde er von einer Hebamme entbunden, die nach der Geburt in breitem Schwäbisch feststellte: «Des isch a Bue, der hat a Schnäperle!» Frei übersetzt: «Das ist ein Junge, er hat einen Penis!»

So wie der Hebamme wäre es auch mir nie in den Sinn gekommen, sein Geschlecht anzuzweifeln. Doch die Zeiten haben sich geändert: Die Gender-Ideologie befindet sich auf dem Vormarsch. Was bisher als selbstverständlich galt, nämlich, dass man entweder als Frau oder als Mann auf die Welt kommt, wird infrage gestellt:

  • Wird der Mensch als Mann oder Frau geboren oder wird er nicht erst dazu gemacht?
  • Sind die Geschlechtsmerkmale wirklich entscheidend für die Identität eines Menschen?
  • Zwingt man ein Kind nicht lebenslang in ein enges Korsett, wenn man es als Mädchen oder Junge bezeichnet?
  • Sollte es nicht frei darüber entscheiden können, welchem Geschlecht es angehört und zu welchem es sich zugehörig fühlt?


Wo alles begann

«Man wird nicht als Frau geboren, sondern man wird zur Frau gemacht.» Mit diesem eingängigen Slogan verhalf die französische Philosophin Simone de Beauvoir (1908–1986) der Gender-Idee zum Durchbruch. Auf der «Pekinger Aktionsplattform» der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 fand die Bewegung ihren Namen: mainstreaming a gender perspective (Gender-Mainstream).

Bisher haben wir mit dem Begriff «sex» das biologische Geschlecht zwischen dem Mann und der Frau unterschieden. «Gender» bedeutet nun «das soziale Geschlecht», welches mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen kann, dies aber nicht zwingend muss. Der Begriff «gender» kommt ursprünglich aus dem Englischen und bedeutet grammatisches Geschlecht (der, die, das), im Unterschied zum biologischen «sex» (männlich, weiblich). Auf der Konferenz in Peking wurde durchgesetzt, das Wort «sex» als Ausdruck für die Zweigeschlechtlichkeit von Mann und Frau durch das Wort «gender» zu ersetzen.

Die Feministinnen hatten die Geschlechtspolarität zwischen Mann und Frau und die «Zwangsheterosexualität» als Ursache für die Unterdrückung der Frau und sexueller Minderheiten ausgemacht und wollten mit diesem neuen Begriff das Übel an der Wurzel packen. Die Gender-Perspektive ist damit eine umfassende Welt- und Lebensanschauung, die besagt, dass jede menschliche Handlung oder Beziehung rein sozial konstruiert ist.

Sie stellt einen Paradigmenwechsel dar, wonach die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen nur gesellschaftliche Indoktrination ist. Die Geschlechterrollen seien erlernt und Weiblichkeit und Männlichkeit deshalb keine unveränderlichen biologischen Grundlagen, wird behauptet.

(Artikelauszug aus ethos 7/2017)