Für müde Kämpfer oder kraftspendende Beziehung?
Nicola Vollkommer
20. April 2024

«Ihr habt nicht mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, damit, was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, er euch gebe» (Joh. 15,16).

Es ist ein Zusammentreffen der «ersten Liga der Denker und Strategen» der englischsprachigen christlichen Szene. Meine Ohren sind gespitzt, mein Hirn auf höchster Stufe, gierig nach neuen Erkenntnissen, wie der christliche Glaube für ein postchristliches Zeitalter relevant werden kann und wie eine attraktive Gemeinde der Moderne aussehen könnte. Ich möchte kein Detail des ultimativen Rezeptes für gelungenes Christsein verpassen.

Begriffe wie «kraftvolles Christsein», «Gemeindewachstum», «Kirche am Puls der Zeit», «missionarische Strategien für das 21. Jahrhundert», «innovative Gottesdienstformate», «Teamfindung» fallen, untermauert mit Grafiken, Tabellen und Statistiken. Selbstsicher auftretende, strahlende Damen und Herren, die aussehen, als kämen sie direkt aus der Vorstandssitzung eines globalen Multimillionenkonzerns, fesseln ihre Zuhörer mit der Vision einer digital optimierten Kirche, an deren Tür die Menschen jeden Sonntag Schlange stehen, um sich ein Gotteserlebnis der Sonderklasse abzuholen. Mit einer To-do-Liste im Kopf gehe ich nach Hause.

Zurück im Gemeindealltag in Süddeutschland. Bei Familie H. wurden Kopfläuse entdeckt. Gestern feierte sie Kindergeburtstag, alle Wuschelköpfe, die dabei waren, werden auf Nissen untersucht. Panikstimmung in den jungen Familien. Hmm. Auf dem Kongress gab es kein Seminar zu diesem Thema. Auch nichts über den Glaubensgrundkurs, der ausfallen muss, weil sich niemand dafür interessiert. Vermutlich digital nicht genug optimiert. R. ist wieder gekränkt und feuert lange, anklagende E-Mails ab. Er fühlt sich übergangen, will seinen Hauskreis nicht mehr leiten.

Es gibt einen Wasserschaden im Untergeschoss. Eine weitere Familie hat Kopfläuse. Eine ganze Reihe weiterer Familien meldet sich vorsichtshalber vom Gottesdienst ab. Die Läuseplage spricht sich herum. Viele leere Plätze am Sonntag. Die Altstimme auf der Bühne ist zu laut eingestellt, die Melodie des Liedes ist nicht mehr zu hören, und die Bassgitarre dröhnt wieder so stark, dass sich einige ältere Gottesdienstbesucher die Ohren zuhalten. Überall sind Ersatzteams im Einsatz, weil so viele Mitarbeiter fehlen.

Tja, das ist die Realität des Lebens, fernab der «Profiliga» und der vierfarbigen Hochglanzbroschüren. Ausgerechnet an diesem Sonntag kommt eine Delegation von Studenten einer Bibelschule, um zu sehen, wie Gemeinde funktioniert, und eine Bewertung zu schreiben. Toll.

Meine «How-to»-Liste aus dem Seminar kommt mir wie aus einer anderen Welt vor. Zum tausendsten Mal in meinen vielen Jahren als Christ stelle ich mir die Frage: Was ist glaubwürdiges Christsein? Wie sieht nach Gottes Plan funktionierender Gemeindebau aus? Was sagt die Bibel wirklich darüber?

Und wieder stosse ich auf zwei altbekannte Stellen im Neuen Testament, bei deren Lektüre ich immer leicht zusammenzucke: «An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen» (Matth. 7,16), sagt Jesus mitten in einer Predigt zum Thema «Unterschied zwischen gläubig und nicht gläubig».
«Unser Brief seid ihr, eingeschrieben in unsere Herzen, erkannt und gelesen von allen Menschen», schreibt Paulus an die Gläubigen in Korinth (2. Kor. 3,2).

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 04/2024