«Diese feste Verbindung zwischen einem speziellen Volk und einem Land kann man über einen Zeitraum von viertausend Jahren zurückverfolgen.»
Steven Charles Ger
3. Juli 2021

Der heutige israelische Staat wird oft unterschieden vom alten Israel als Nation. Ist diese Unterscheidung gerechtfertigt in Bezug auf die Volksgruppe, die ihre historischen Rechte auf das Land geltend macht? Gibt es Beweise für eine historische Verbindung zwischen dem antiken und dem modernen Volk, das Israel ausmacht, und hat Israels Geschichte eine spezielle Absicht mit dem jüdischen Volk geoffenbart?

Solange noch im Herzen eine jüdische Seele wohnt und nach Osten hin, vorwärts, ein Auge nach Zion blickt, solange ist unsere Hoffnung nicht verloren, die Hoffnung, zweitausend Jahre alt, zu sein ein freies Volk, in unserem Land, im Lande Zion und in Jerusalem!

haTikwa (Die Hoffnung), israelische Nationalhymne

Selten findet man jemanden, der keine Meinung zum heutigen Staat Israel hat. Die Rechtmässigkeit der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 und das Existenzrecht als einziger jüdischer Staat der Welt erregt weiterhin die Gemüter und führt oft zu völlig gegensätzlichen Standpunkten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Leute nicht unterscheiden zwischen dem jüdischen Volk, der alten Nation Israel und dem modernen Staat.1

Um herauszufinden, was man über den modernen Staat Israel denken soll, erläutert dieser Artikel die Beziehung zwischen dem Land Israel und dem jüdischen Volk anhand von zwei speziellen Bereichen.

Land und Volk in Israels Geschichte

Bei der Gründung des modernen jüdischen Staates am 14. Mai 1948 billigte der jüdische Staatsrat die Unabhängigkeitserklärung der Nation, die wie folgt beginnt:

«Das Land Israel war der Geburtsort des jüdischen Volkes. Hier wurde ihre geistliche, religiöse und politische Identität geformt. Hier wurden sie zum ersten Mal zu einem selbstständigen Staat. ... Nachdem man sie gewaltsam aus ihrem Land ins Exil brachte, hielten sie in ihrer Zerstreuung weiter daran fest und hörten nie auf, für ihre Rückkehr und die Wiederherstellung ihrer politischen Freiheit in dem Land zu beten und darauf zu hoffen.»

Anfangend mit der Bibel, den antiken heiligen Schriften Israels, wird deutlich, dass Israel als Volk und Land untrennbar miteinander verbunden ist. Diese feste Verbindung zwischen einem speziellen Volk und einem Land kann man über einen Zeitraum von viertausend Jahren zurückverfolgen. Die Ursprünge begannen mit den sehr konkreten Verheissungen auf das Land, die Gott den Vorfahren des jüdischen Volkes gab – Abraham, Isaak und Jakob. Die Verbindung blieb auch in den prägenden Jahren des Aufenthalts und der Knechtschaft in Ägypten bestehen, als das Volk nicht im Land lebte, sowie nach seiner Rückkehr und der Eroberung des Landes im 14. Jahrhundert v. Chr. Die Beziehung zwischen Volk und Land festigte sich auch in der Zeit weiter, als Israel eine Monarchie war – insbesondere nachdem David Jerusalem zur Hauptstadt des Volkes ernannt und sein Erbe Salomo den Tempel gebaut hatte.

In den nächsten zwei Jahrhunderten war die Nation nach einem Bürgerkrieg in ein Nord- und ein Südreich geteilt. 722 v. Chr. wurde das Nordreich von den Assyrern zerstört und seine Bevölkerung deportiert. Das Südreich, das unter dem Namen Juda bekannt war2, blieb ein weiteres Jahrhundert frei und unabhängig. Bei Anbruch des 6. Jahrhunderts v. Chr. wurde Juda von Babylon erobert und die meisten Bewohner Judas gingen in babylonische Gefangenschaft und wurden auf das ganze Reich verteilt. Nachdem Persien Babylon siebzig Jahre später besiegt hatte, gestattete man einer Minderheit der exilierten jüdischen Bevölkerung, nach Hause zurückzukehren, um ihren zerstörten Tempel und die Hauptstadt Jerusalem wiederaufzubauen. In den nächsten ca. 2500 Jahren war das jüdische Volk geografisch geteilt, wobei ein erheblicher Überrest im Land der Verheissung blieb und die anderen auf verschiedene Länder verteilt waren.

Gegen Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. geriet Juda unter eine neue Weltmacht, als Persien von Griechenland unterworfen wurde. Die griechische Besatzung Judas, mittlerweile als Judäa bekannt, rief religiöse und kulturelle Spannungen hervor, die den makkabäischen Aufstand gegen Griechenland anfachten. Ein bemerkenswerter jüdischer Sieg führte zu einer triumphalen Rückkehr zu nationaler Selbstbestimmung unter der jüdisch hasmonäischen Dynastie und einer geografischen Grenzerweiterung, die an die glorreiche Ära Davids und Salomos erinnerte.

Nach einem Jahrhundert der Unabhängigkeit begann das dominierende Römische Reich mit einer neuen Besetzung Judäas im Jahr 63 n. Chr. Technologische Errungenschaften der Römer ermöglichten es den Juden in der Diaspora, regelmässig zur festlichen Anbetung in den Jerusalemer Tempel zu kommen und somit die Bande des Volkes zum Land zu festigen.

Die Juden organisierten zwei lange, gewalttätige und blutige Aufstände gegen ihre römischen Besatzer. Der erste dauerte von 66–73 n. Chr. und resultierte in der Plünderung Jerusalems und der Zerstörung des jüdischen Tempels. Als Folge wurden mehr als eine Million Juden getötet und 100 000 versklavt und deportiert. Trotz der Niederlage zählte die jüdische Bevölkerung im Land nach wie vor mehr als eine Million Menschen, und die Städte und Ortschaften waren grösstenteils intakt geblieben.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 07/2021.