Dass Ludwig Ingwer Nommensen einmal als bekannter Pioniermissionar und Gründer der Batak-Kirche auf Sumatra in die Missionsgeschichte eingehen würde, war in seiner Kindheit und Jugend nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Denn der am 6. Februar 1834 auf der nordfriesischen Marschinsel Nordstrand als Sohn eines kränklichen Schleusenwärters geborene Junge musste schon früh mitverdienen und besuchte nur unregelmässig die Schule. Mit sieben Jahren ist Ludwig Gänsehirte, mit acht Schafhirte, mit neun Dachdeckergehilfe. Und auch danach hilft er immer wieder bei anderen Leuten aus.
Lebensverändernder Unfall
Im Alter von etwa 13 Jahren erleidet der Junge einen schweren Unfall: Beim Spielen gerät er mit den Beinen unter die Räder eines vorbeifahrenden Wagens und wird schwer verletzt. Monatelang liegt er krank darnieder. Die Wunden wollen einfach nicht heilen. Sogar eine Amputation wird in Erwägung gezogen. Viel liest das ans Bett gefesselte Kind in der Bibel. Da stösst es zu Weihnachten 1847 auf die Verheissung Jesu: «Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun» (Joh. 14,14). Daraufhin betet der Junge im kindlichen Glauben um seine Heilung. Zugleich gelobt er, dass er – wenn er wieder laufen können würde – Missionar werden und zu den Heiden gehen wolle, von denen er von einem frommen Lehrer gehört hatte. Nicht lange danach verschreibt der Arzt ihm ein neues Heilmittel. Dieses schlägt so gut an, dass Ludwig schliesslich nach einigen Wochen tatsächlich seine Füsse und Beine wieder wie zuvor gebrauchen kann.
Wenig später stirbt sein Vater. Jetzt muss der Sohn, der noch drei Schwestern hat, erst recht zum Unterhalt der Familie beitragen. Als er 20 Jahre alt ist, gibt ihn seine Mutter schliesslich für die Mission frei. Doch sein naiver Plan, auf irgendeinem Schiff nach Indien oder Afrika anzuheuern und dann dort den Heiden das Evangelium zu verkündigen, zerschlägt sich. Stattdessen sieht sich Nommensen gezwungen, als Knecht bei einem Bauern zu arbeiten. Später nimmt er eine Stelle als «Hilfslehrer» an. Als er dem für die Schulinspektion zuständigen Pastor von seinem festen Entschluss erzählt, Missionar zu werden, erfährt er zu seiner Verwunderung, dass er zuvor erst ein Missionshaus besuchen müsse, um dort die nötige Ausbildung zu erhalten. Zur Vorbereitung erteilt der Geistliche ihm Lateinunterricht, während ein Lehrer ihn in Deutsch und Englisch fördert.
1857, mit 23 Jahren, wird Ludwig Nommensen endlich in das Seminar der Rheinischen Mission in Barmen aufgenommen. Im Anschluss an die vierjährige Ausbildung sendet man ihn nach Sumatra, das heute zu Indonesien gehört. Nach einer strapaziösen Überfahrt auf einem Segelschiff landet der junge Missionar schliesslich am 25. Juni 1862 in der Hafenstadt Barus. Hier eignet er sich zunächst die malaiische und bataksche Sprache an, die auf der Insel von vielen Bewohnern gesprochen wird. Er sucht und pflegt Kontakt mit den Einheimischen. Doch bleiben will er hier nicht. Denn sein Ziel ist von Anfang an das Volk der Batak. Zu ihnen waren im Geburtsjahr Nommensens einst die beiden amerikanischen Pioniermissionare Munson und Lyman aufgebrochen, wobei sie schon bald nach ihrer Ankunft ermordet und danach verspeist wurden.
Die Batak waren Kannibalen. Überhaupt herrschten unter ihnen raue, brutale Sitten. Lügen und Betrügen war bei ihnen Normalität. Ständig lagen die Dörfer untereinander in Streit. Grausame Misshandlungen, Folterungen und Verstümmelungen an verschuldeten, gefangenen oder auch versklavten Mitmenschen waren an der Tagesordnung. Die Batak waren Animisten und beständig von der Furcht vor den Geistern geplagt, denen sie zu ihrer Besänftigung immer wieder neue Opfer brachten – auch Menschenopfer. Das Leben hier war wahrlich alles andere als ein «Paradies». Eher die Hölle.
Feindesliebe zahlt sich aus
Und zu diesen Menschen zog es Nommensen! Schliesslich gibt die Missionsgesellschaft ihr Einverständnis zum Leben und Wirken unter den Batak. 1864 lässt er sich im Hochtal Silindung nieder. Hier lebt er in einem Dorf mitten unter ihnen. Anfangs sind die Batak misstrauisch und ablehnend. Es gibt sogar Anschläge gegen den Weissen. So hatte ihm einmal einer seiner grimmigsten Feinde in einem unbeobachteten Moment ein tödliches Gift in seinen Morgenbrei gemischt.
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