Dass ein junger, gesunder Mann einen Herzstillstand erleidet, ist alles andere als gewöhnlich. Was geschah an diesem Tag, wie habt ihr ihn in Erinnerung?
Philipp: Es war ein Tag wie jeder andere. Am Abend ging ich zur gewohnten Zeit ins Bett. Was dann morgens gegen 6.30 Uhr passierte, muss meine Frau Jeanette erzählen, denn ich bekam nichts davon mit.
Jeanette: Ich wachte plötzlich auf, vielleicht weil ich eine Art Schnappatmung hörte? Oder es war einfach ein Wunder, dass ich aufwachte – oder dass ich überhaupt da war! Ich war damals mit unserem ersten Kind schwanger und hatte deshalb, wie es auf Intensivstationen üblich ist (ich bin Intensivkrankenschwester), Arbeitsverbot. Hätte ich Frühdienst gehabt, wäre ich schon weg gewesen, oder bei Nachtdienst noch gar nicht zu Hause.
Ich merkte sofort: Hier stimmt was nicht! Philipp machte seltsame Geräusche. Ich nahm an, dass er wohl schlecht träumte und stiess ihn ein wenig. Er reagierte nicht. Also stupste ich ihn noch einmal. Wieder nichts! Jetzt war ich alarmiert, machte das Licht an und schaute in seine weit aufgerissenen Augen. Er war schon blau im Gesicht und nicht ansprechbar. Ich konnte keinen Puls mehr fühlen, Philipp war nicht mehr bei Bewusstsein. Ich rannte zur Wohnung meiner Schwiegermutter, die mit im Haus wohnt, schnappte mir dann im Flur den Beatmungsbeutel und begann sofort mit der Reanimation. Ich funktionierte einfach.
Meine Schwiegermutter schilderte dem Notarzt am Telefon, was ich gerade tat, wie ich Philipp reanimierte, das habe ich noch im Ohr. Vom Absetzen des Notrufs bis zum Eintreffen der Rettungskräfte vergingen laut Protokoll zehn Minuten.
Philipp: Du musst wissen, am Tag zuvor habe ich meine Frau gefragt, wann sie den Beatmungsbeutel wegräumt, den bräuchten wir ja nicht hier im Haus.
Jeanette: Ich hatte ihn bestellt und wollte ihn im Auto aufbewahren, um für den Fall eines Unfalls gerüstet zu sein. Der Beutel lag also noch im Flur vor dem Schlafzimmer. Was für ein Geschenk! Ich konnte «bebeuteln» (beatmen) und meine Schwiegermama hat reanimiert, wir wechselten uns ab.
Hattest du Hoffnung, dass Philipp wieder ins Leben zurückkehren würde?
Mir schoss unaufhörlich durch den Kopf: «Das darf doch jetzt nicht wahr sein!» Aber in diesem Moment dachte ich weder an meine Schwangerschaft noch an sonst etwas. Als die Rettungskräfte eintrafen, wurde Philipp zunächst aus dem Bett auf den Boden gelegt, um mehr Widerstand bei der Wiederbelebung zu haben. Dann hängten sie den Defibrillator an. Man konnte das Kammerflimmern sehen, es gab keinen aktiven Herzschlag mehr. Zweimal haben sie Philipp defibrilliert. Der Notarzt intubierte sehr schnell, die Infusionsnadeln wurden gelegt und Medikamente verabreicht.
Aber die Reanimation dauerte mehrere Minuten. Das ist kritisch, und niemand weiss, wie das Gehirn in dieser Zeit insgesamt mit Sauerstoff versorgt wird. Später im Krankenhaus war das meine grösste Sorge, dass er, wenn er aufwacht, ein verändertes Wesen hat, einen Hirnschaden, vielleicht ein Pflegefall, nicht mehr sich selbst ist. Da ich vom Fach bin, weiss ich, was alles passieren kann, ich kenne viele solcher Fälle.
Als er dann «stabil» war, nahmen sie ihn mit. Was war mit dir?
Philipp wurde ins Koma versetzt und ich durfte im Krankenwagen mitfahren. Man brachte ihn auf die Station, auf der ich bis zur Schwangerschaft gearbeitet habe.
In der Ambulanz muss ich mit dem Rettungssanitäter ein völlig belangloses Gespräch geführt haben. Ich stand wohl unter Schock. Als mein Mann dann in der Klinik versorgt wurde und ich im Stationszimmer sass, fing ich erst richtig an nachzudenken: Was ist hier eigentlich los?!
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