Fesseln, die uns hindern, am Leben teilzunehmen – wer hat sie uns angelegt und wie können wir sie abstreifen? In die Freiheit finden.
Yvonne Schwengeler
19. April 2023

Die meisten Probleme, mit denen wir in der Seelsorge konfrontiert werden, haben mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun. Sind diese Beziehungen zum Nächsten belastet, tangiert das auch die Beziehung zu Gott.

Jesus hat wiederholt darauf hingewiesen, dass selbst unsere leidenschaftlichsten Gebete unerhört bleiben, wenn unsere Beziehungen zum Nächsten von Groll und Unversöhnlichkeit geprägt sind.

Im Laufe meines Lebens hatte und habe ich es immer wieder mit Menschen zu tun, die wie in einem Korsett leben, unfrei, eingeschnürt – auch Christen. Irgend etwas hindert sie, froh und befreit zu leben.

Gebundene Füsse

Das erinnert mich an eine jahrhundertealte chinesische Praxis: die Fussverstümmelung. Bis hinein ins 20. Jahrhundert wurde den kleinen Mädchen im kaiserlichen China die Zehen gebrochen, unter die Fusssohlen gedrückt und in enge Stoffballen geschnürt. Dann wurden die gebundenen Füsse in kleine Schuhe gesteckt und die Mädchen mussten darin laufen, was sehr schmerzhaft war. Nach und nach wurden die Schnürungen enger gemacht und noch kleinere Schuhe getragen. Am Ende sollten die Füsse wie eine geschlossene Lotosblüte aussehen. Das Resultat war, dass sich die Frauen, wenn überhaupt, nur trippelnd fortbewegen konnten.

Ein Mädchen, dem die Füsse gebunden worden waren, galt als potenziell gute Ehefrau, weil man ihr Opfer mit der Tugend verband, Schmerzen zu ertragen und ans Haus gefesselt zu sein.

Fesseln, die uns hindern, am Leben teilzunehmen – wie können wir sie abstreifen? Wer hat sie uns angelegt? Sind es erbliche Anlagen, frühkindliche Prägungen oder ist es die eigene Schuld, die uns bindet? Bitterkeit, Selbstmitleid, Groll und Unversöhnlichkeit?

Die Wahl

«Zur Freiheit hat uns Christus befreit», lesen wir im zweiten Brief des Paulus an die Korinther. Freiheit ist ein zentrales Thema in Gottes Wort. Freiheit heisst nicht, dass es keine Autorität über uns gibt! Wir sind keine Herren, sondern Geschöpfe. Aber unsere Würde besteht darin, frei wählen zu können, unter welcher Herrschaft wir leben möchten. Der eine bietet uns die Freiheit, die echtes Leben erst ermöglicht, der andere Sklaverei. Das sehen wir bereits im Alten Testament. Gottes Volk sollte nicht im Frondienst Ägyptens stehen, gebunden in der Knechtschaft, sondern unter Gottes Führung in Kanaan leben, in einem Land, wo Milch und Honig fliesst.

Der Mensch irrt, wenn er glaubt, er sei frei. Es gibt keine neutrale Zone. Wir sind immer jemandes Knecht! «Wer Sünde tut», sagt Jesus, «der ist der Sünde Knecht» (Joh. 8,34). Er dient dem Urheber des Bösen.

Damit wir den Weg in die Freiheit finden, müssen wir uns an Jesus orientieren. Er ist das Wort, das unsere Fesseln löst und uns in die Freiheit führen kann.

Leib, Seele und Geist

Auf den ersten Seiten der Bibel lesen wir, dass Gott den Menschen aus der Erde bildete und ihm seinen Atem in die Nase blies. So ward der Mensch ein lebendiges Wesen, geschaffen im Ebenbild Gottes, eine Einheit von Leib, Seele und Geist. Ist diese Einheit in einem Bereich gestört, hat das Auswirkungen auf den ganzen Menschen. Ist der Leib krank, so ist nicht selten auch die Psyche betroffen. Und ist die Psyche erkrankt, so fehlt oft auch dem Körper die notwendige Kraft.

Damit ist nicht gesagt, dass jede körperliche, seelische oder geistige Störung auf eine Missachtung gewisser Voraussetzungen zurückzuführen ist.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 05/2023