Dietmar, bereits in deiner Kindheit wurden prägende Weichen gestellt ...
Das kann man wohl sagen! Nach zwei Töchtern und einer Totgeburt hatte mein Vater endlich den Sohn, den er sich wünschte. Papa feierte das, indem er sich drei Wochen lang betrank. Leider zählten meine älteren Schwestern bei ihm kaum etwas. Dies trug sicherlich neben der schlechten Ehe dazu bei, dass meine Mutter mich regelrecht zu hassen begann – sie lehnte mich völlig ab.
Als ich zwei Jahre alt war, schickte sie mich für ein Jahr in die Steiermark zu meiner Tante. Papa trank zu viel, wir hatten finanzielle Probleme, und ein Kind wegzugeben bedeutete, für ein Kind weniger sorgen zu müssen. Sie wollte mich aus dem Weg haben. Als ich zurückkam, wurde ich von meinem Vater verwöhnt, von Mama erfuhr ich das Gegenteil, Ablehnung und Schläge. Gewalt war ihr recht. Meistens gegen mich, aber manchmal litten auch meine Schwestern darunter.
Einmal, an Heiligabend, «zündelten» meine Schwestern und ich auf dem Friedhof. Renate war damals schon 16 Jahre alt, Ingrid 13 und ich 8. Mama hat uns vor den Augen der Nachbarn die Hosen runtergezogen und uns mit einem Lederriemen verprügelt. Das muss man sich vorstellen ... Aber meistens schlug sie mich. Manchmal versuchte sie, mich mit Geschenken milde zu stimmen, aber das bedeutete mir nichts. Ich glaube, ich habe sie auch gehasst, denn das Einzige, was ich mir gewünscht hätte, war, von meiner Mama geliebt zu werden. Aber dazu war sie nicht fähig.
Wie hast du als Kind die «zwei Welten» Mama und Papa zusammengebracht?
Ganz schwierig! Ich kann nicht mehr sagen, wie ich das einordnete, welche Gedanken ich mir dazu machte. Auffällig war aber, dass ich als Kind sehr schnell auf die schiefe Bahn geriet, mich nicht unter Kontrolle hatte. Mit 11 Jahren beging ich meine ersten Einbrüche. In dem Alter war ich schon richtig kriminell.
Ich war zwölf, als man mich eines Tages nicht mehr finden konnte. Mein Vater suchte alle Gewässer in der Umgebung ab, weil er befürchtete, meine Mutter hätte mich in den Fluss geworfen und ich wäre ertrunken ... Aber ich hatte Mamas Pass geklaut, in dem ich als Kind auch eingetragen war, und haute damit nach Frankreich ab. Unglaublich, wie ich da unbehelligt durchkam. Ich setzte meinen Unschuldsblick auf – man glaubte mir so ziemlich alles, was ich erzählte. Ich sah noch jünger aus, als ich ohnehin schon war. Aber nach ein paar Wochen flogen meine Lügen auf und sie holten mich zurück ...
Was glaubst du, hat dich zu den Einbrüchen getrieben?
Ich weiss es nicht. Das war fast schon wie eine Besessenheit.
Wie reagierte dein Vater darauf, dass sein Liebling solch krumme Dinge trieb?
Zuerst bekam er nichts davon mit – bis zu dem einen Tag. Ich hatte die Spinde von Bauarbeitern aufgebrochen und ziemlich viel Geld gestohlen. Als ich nach Hause kam, öffnete meine Schwester Ingrid die Tür und sagte nur: «Wir wissen es alle.» «Was, Papa auch?», fragte ich. «Ja, er auch!»
Als er mich sah, nahm er mich bei der Hand und ging mit mir in den Keller. Ich dachte, jetzt kriege ich mal eine Tracht Prügel von ihm. Er hatte mich noch nie geschlagen, immer nur Mama. Aber unten stellte er sich vor mich hin und sagte: «Ich bin so enttäuscht von dir. Ich rede kein Wort mehr mit dir!» Das war schlimmer, als verhauen zu werden! Das ging tief!
Und dann – eine Woche später – war er tot. Ich konnte das nicht mehr mit ihm regeln. Es war im Juli 1970. Mein Vater arbeitete im Garten- und Forstbereich. Bei Arbeiten auf dem Berg kam er am 29.7.1970 ums Leben. Nachmittags gegen 14 Uhr «traf ihn der Blitz». Ein kurzes Gewitter nur ...
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