Handymania – wie ein verantwortungsvoller Umgang mit Smartphone & Co. gelingen kann.
Roswitha Wurm
14. Juli 2018

Beinahe jeder besitzt eines und checkt es durchschnittlich 81 500-mal pro Jahr – das erste Mal am Tag bereits kurz nach dem Aufwachen. Wir nehmen unser Smartphone überallhin mit – sogar auf die Toilette. Wer eine Kindheit, eine Jugend oder gar einen Teil seiner Erwachsenenzeit ohne Handy verbracht hat, fragt sich manchmal: «Was habe ich nur die ganze Zeit ohne Smartphone gemacht?»

Der handgrosse Tausendsassa weckt uns morgens, legt uns jeden gewünschten Musiktitel auf; er ist unser Kalender und Notizbuch, unser Textverarbeitungsprogramm, unser Taschenrechner, unser Kontaktmanager, unser Fotoapparat, unsere Videokamera, unser Bilderdepot, unsere Tageszeitung, unser Nachrichtendienst, unser Lexikon, unser Navigator und Fahrplan und für so manchen Christen auch Bibel und Konkordanz. Am wenigsten werden – Statistiken zufolge – Smartphones interessanterweise zum Telefonieren benutzt ...

Ohne Smartphone fühlen wir uns ziemlich hilflos und unvollständig. Wer kennt nicht dieses panische Gefühl, wenn man plötzlich sein Handy nicht mehr findet! Hat man es irgendwo vergessen? Schlimmer noch, verloren? Oder ist es gar in den öffentlichen Verkehrsmitteln gestohlen worden? Wie erleichtert sind wir, wenn es dann doch plötzlich irgendwo wieder auftaucht.

Mit dem Smartphone wurde alles anders

Kaum zu glauben, dass das erste iPhone erst 2007 auf den Markt gebracht wurde! Das Smartphone wird als das «einflussreichste Einzelgerät aller Zeiten» bezeichnet. Es hat unser Verhältnis zu Datenverarbeitung und Information grundlegend verändert und wird sich wesentlich auf die nächsten Jahrzehnte auswirken.

Genau darin liegt für uns die grosse Herausforderung: Auf der einen Seite verwenden etliche ein Smartphone, die einen grösseren oder auch kleineren Teil ihres Lebens ohne dieses kleine Wundergerät aufgewachsen sind. Andererseits gibt es nun schon eine beachtliche Anzahl Menschen, die Smartphones von Anfang an erlebt haben. Für die so genannte Smartphone-Generation existieren keine Vorbilder, weil es die digitale Invasion nie vorher in der Geschichte gab. Manche Gefahren sind offensichtlich, andere müssen aus persönlicher Erfahrung erkannt und gelernt werden.

Der christliche Journalist Tony Reinke, der sich selbst als «Early Adopter» oder «selbsternannter iPhone-Junkie» bezeichnet, schreibt in seinem Buch «Wie dein Smartphone dich verändert»: «Das digitale Zeitalter hat eine noch nie da gewesene Macht, menschliche Intelligenz und faktische Daten zu bündeln. Jeder Christ hat jetzt unvergleichliche Möglichkeiten, sich online geistlich zu engagieren. Unsere bekannten Prediger können durch soziale Netzwerke Hundertausende erreichen. Selbst der normale Christ kann direkt zu einem Publikum von zwei- bis dreihundert Facebook-Freunden reden. Das ist eine in der menschlichen Geschichte nie da gewesene Reichweite.»

Dies ist allerdings nur die eine Seite der Medaille. «Es gibt wohl keinen Zweifel, dass unser Leben hochgradig zerstreuter ist, wenn wir mit Klingeln, Vibrieren, Piepsen und Textbotschaften bombardiert werden. Wir leben tatsächlich mit einem virtuellen Paralleluniversum, welches unsere ganze Zeit beanspruchen kann.»

Für uns Christen gilt die biblische Devise: «Meine Zeit steht in deinen Händen, Herr!» (Psalm 31,16). Wenn nun dieses handgrosse Teil unsere Zeit dermassen in Anspruch nimmt, dann sollten wir uns wirklich eingehend darüber Gedanken machen.

Wichtige Parameter

Mit der Nutzung des Internets und des Smartphones sollten wir uns die ehrlichen Fragen stellen: Worum geht es uns wirklich, wenn wir im Netz surfen? Ist unser Motiv tatsächlich, «unsere Freunde mit dem Evangelium zu erreichen»? Oder geht es eher um unser eigenes Ansehen, um unsere Selbstdarstellung im Netz? Ist die Information, die wir uns holen, wirklich sinnvoll bzw. notwendig, um Gottes Wort besser zu verstehen? Hier hilft es, sich darauf zu besinnen: Auch in Vor-Internet-Zeiten haben Menschen die Bibel ausgelegt und heilbringend in ihrem und im Leben anderer angewendet!

Ein weiterer wichtiger Parameter ist die Ablenkung, die wir durch unser Smartphone erfahren. Den ganzen Tag über bestimmt es unser Leben. Wenn wir ehrlich sind, so sind die meisten von uns süchtig nach ihrem Handy. Je süchtiger wir sind, desto anfälliger sind wir für Angstzustände und Depressionen und desto weniger in der Lage, konzentriert zu arbeiten und nachts gut zu schlafen.

Tony Reinke führt uns vor Augen, dass digitale Ablenkungen kein Spiel sind, wie wir uns selber häufig einreden. Weil wir alle so vernetzt sind, können Hunderte von Leuten (Freunde, Familienmitglieder und Fremde) uns jeden Augenblick unterbrechen und in unser Leben eindringen. Wenn wir uns langweilen, können wir mit einem Fingerklick durch eine endlose Liste von Online-Vergnügungen und -Kuriositäten scrollen. All das hat eine geistliche Dimension für uns Christen.

Verschobene Lebensausrichtung

In Christus sind unsere unruhigen Seelen zur Ruhe gekommen. Eigentlich. Nimmt allerdings irgendetwas so viel Zeit und Raum in unserem Leben in Anspruch wie unser Smartphone, dann stehen Jesus und sein Wort nicht mehr im Fokus unseres Lebens. Es geht dann nicht mehr darum, «Jesus als unserem Herrn zu folgen», sondern den Menschen, die unseren Social-Media-Accounts folgen. Letztlich stellen wir uns selber in den Mittelpunkt unseres Lebens. Es wird wieder egozentrisch statt christozentrisch.

Ablenkungen sind kein Phänomen des digitalen Zeitalters. Es gab sie seit jeher in der Menschheitsgeschichte. Deswegen erzählt Jesus seinen Jüngern das Gleichnis vom Sämann. Es könnte auch als Gleichnis der Ablenkungen bezeichnet werden. Sorgen, Reichtum, Vergnügungen – allem, was wir mehr Ehre geben als Jesus, «erstickt» Gottes Wort in unserem Leben und macht uns taub dafür, was Gott von uns möchte. Das nichtige Vergängliche raubt uns das Unvergängliche. Das gilt auch für unser Smartphone. Es sucht unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Diese gebührt allerdings Gott und seinem Wort. Wir können jedoch nicht zwei Herren dienen (Matthäus 6,24).
In all dem ist es wichtig, uns zu fragen: Warum suchen wir Ablenkung? Wovor laufen wir davon und wovor haben wir Angst? Wenn wir es als Christen versäumen, Ablenkungen weise in den Griff zu bekommen, werden wir unsere Prioritäten aus dem Blick verlieren und vergessen, wie man als Christ mit Jesus und seinem Wort lebt.

Die Multitasking-Lüge

Wohin man auch blickt, sieht man Menschen, mit Smartphone zwischen Ohr und Schulter geklemmt, Kinder- oder Einkaufswagen schieben, Kisten schleppen, Autos lenken, kochen, bügeln ... Jeder von uns hat ähnliche Szenarios bereits selber inszeniert. Kein Restaurantbesuch oder kein Mittagstisch, an dem nicht irgendjemand in sein Handy starrt oder lächelnd, fragend, genervt mit anderen kommuniziert – jedoch nur nicht mit den Anwesenden. «Rede nur weiter», sagen wir zu unserem Gegenüber, während wir weitertippen, «ich höre ohnehin, was du sagst.» Wir glauben allzu leichtfertig der Lüge, dass wir zwei Dinge gleichzeitig tun können. In Wirklichkeit sind wir mit unseren Gedanken weder bei der real anwesenden noch bei der virtuellen Person. Abgesehen davon ist solch ein Verhalten unseren Mitmenschen gegenüber schlichtweg unfreundlich. Mit unserer Smartphone-Liebe kränken wir unser Gegenüber mit Nichtbeachtung. Wir vermitteln dem anderen: «Du bist nicht so wichtig wie die Person, die mir gerade eine Nachricht schreibt, oder wie die Fussballergebnisse vom Liveticker.» Wenn wir auch unterwegs ständig mit unserem Smartphone beschäftigt sind, übersehen wir Menschen, die unsere Hilfe benötigen.


(Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 07/2018)