«Ich bin schon so lange arbeitslos und bitte den Herrn, dass er mir endlich eine Arbeitsstelle besorgen möchte, aber Fehlanzeige!» – «Ich möchte so gerne heiraten, finde aber keine Frau. Weshalb erhört Gott meine Gebete nicht?» – «Schon jahrelang leide ich unter einer lästigen Allergie und bitte Gott um Heilung. Aber es wird immer schlimmer ...»
Martin Vedder
1. Januar 2021

Mit solchen und ähnlichen Inhalten erhalte ich immer wieder Post von Menschen, die mir ihre Nöte mitteilen. Sie sind verwundert, dass ihre Gebetsanliegen nicht erhört werden, obwohl sie diese dem Herrn hingelegt haben im Vertrauen, dass er sofort eingreifen und die Probleme in ihrem Sinne lösen wird. Sie sind überzeugt: «Wenn wir nur fest daran glauben, wird Gott handeln!»                                   

Das Gebet – eine Art Magie? Bete ich, um mir Gott gefügig zu machen? Zwinge ich Gott meinen Willen im Gebet auf? Heisst es nicht: «Wer betet, bewegt den Arm Gottes»?

Die Frage ist: Erhört Gott jedes Gebet? Können wir den Zeitpunkt des göttlichen Eingreifens bestimmen? Was ist mit «so ihr’s glaubet» wirklich gemeint? Gibt es vielleicht gewisse Voraussetzungen oder sogar Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit der Herr unsere Gebete erhört?

Was braucht es?

1. «Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch geschehen!» (Joh. 15,7).

Diese Worte unseres Herrn Jesus Christus, die er kurz vor seiner Gefangennahme an seine Jünger richtete, scheinen mir die Schlüsselaussage zu unserem Thema zu sein. Davon hängt alles Weitere ab. Auch die noch folgenden Voraussetzungen können nur dann erfüllt werden, wenn die Beziehung zu unserem Herrn gepflegt wird. Doch wie kann ich in Jesus bleiben, wenn ich nicht zu ihm gehöre? Wie werde ich Teil von Jesus? Die Antwort der Bibel ist sonnenklar: Ein Glied am Leibe Christi wird der Mensch einzig und allein durch die Geistestaufe (1. Kor. 12,13), genauso wie er Glied in der Familie Gottes durch die Wiedergeburt (Joh. 1,12) wird. Und beides ereignet sich gleichzeitig! Wer zur Familie Gottes gehört, der gehört auch zum Leibe Christi, d. h. zu der weltweiten Gemeinde aller erlösten Kinder Gottes, die allein auf den stellvertretenden Tod Christi bauen und den Himmel nicht mit ihren guten Werken erwerben wollen.

Die Zugehörigkeit zu Jesus ist also notwendig, um diese erste und wichtigste aller Voraussetzungen zu erfüllen. Doch das allein genügt nicht: Es geht auch darum, in Jesus zu bleiben! Und wie geschieht das? Indem wir in seinem Wort bleiben. Paulus drückt das folgendermassen aus: «Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen» (Kol. 3,16). Es geht um die intensive Beschäftigung mit Gottes Wort mit dem Ziel, Jesus dort zu begegnen, ihn und sein Verhalten immer besser kennenzulernen.          
              
2. «Und dies ist die Zuversicht, die wir zu ihm haben, dass, wenn wir etwas nach seinem Willen bitten, er uns hört. Und wenn wir wissen, dass er uns hört, worum wir auch bitten, so wissen wir, dass wir erhalten, was wir von ihm erbeten haben» (1. Joh. 5,14–15).

Einige der entscheidendsten Fragen, die wir uns im Zusammenhang mit dem Gebet stellen müssen:                      

  • Was ist der Wille Gottes für mein Leben?
  • Wie sieht der Wille Gottes in einer ganz konkreten Situation für mich aus?
  • Woran kann ich seinen Willen erkennen?

Ist mir die Erfüllung seines Willens überhaupt wichtig? Auch wenn er sich vielleicht diametral zu meinen persönlichen Wünschen und Plänen richtet?

Um erhörlich beten zu lernen, muss ich also den Willen Gottes kennenlernen, um ihm dann auch meine Anliegen vortragen zu können. Und wo lerne ich seinen Willen in erster Linie kennen? In seinem Wort, der Bibel! Wie aber kann ich hoffen, in diesem seinem Sinne zu beten, wenn ich den Weg, auf dem er mir seinen Willen offenbaren möchte, nicht gehe? Wer wenig oder gar nicht in Gottes Wort liest, muss sich nicht wundern, wenn er nur selten Gebetserhörungen erlebt! Je mehr ich in Gottes Wort «zuhause» bin, desto grösser wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass ich sein spürbares Eingreifen in mein Leben und seine konkrete Führung als Antwort auf meine Gebete erlebe.

3. «Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, wird er euch geben ... Bittet, und ihr werdet empfangen, auf dass eure Freude völlig sei» (Joh. 16,23–24).

Was ist damit gemeint? Jesus weist uns darauf hin, dass seine Jünger sich in derselben Weise an seinen Vater im Gebet wenden dürfen, wie er es tut. Er gibt uns die Erlaubnis, direkt über ihn vor Gott zu treten, ohne irgendeinen anderen Mittler. Doch beinhaltet dieser Ausdruck auch die Verpflichtung, so zu beten, wie Jesus an unserer Stelle in dieser Situation beten würde. Und wie können wir das wissen? Indem wir sein Gebetsleben studieren, nicht zuletzt auch das uns allen bekannte «Vaterunser» und das sogenannte «Hohepriesterliche Gebet» in Johannes 17.   
                            
4. «Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, damit ihr es in euren Lüsten vergeudet» (Jak. 4,3).

Es geht um die Reinheit unserer Motive.  «Dein Name werde geheiligt, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe ...» Erst danach kommen die persönlichen Anliegen und Bedürfnisse. Dürfen wir denn nicht auch um Gesundheit, einen guten Arbeitsplatz, Gelingen im Examen etc. bitten? Doch, natürlich. Hat nicht sogar Paulus seinen geistlichen Sohn Timotheus ermuntert, für ein ruhiges und stilles Leben zu bitten, in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit? Dabei wollen wir daran denken: Gottes Wege sind oft anders als unsere Wege, und seine Gedanken sind anders als unsere (Jes. 55,8), so-dass wir immer gut beraten sind, den Zusatz nicht zu vergessen: wenn es dein Wille ist. Ein in dieser Haltung gesprochenes Gebet wird auf offene Ohren stossen und Erhörung finden zu seiner Zeit.                                           

5. «O Frau, dein Glaube ist gross; dir geschehe, wie du willst!» (Matth. 15,28).

Eine Frau mit einem grossen Problem begegnet Jesus. Sie wendet sich an ihn mit der Bitte, er möge ihre Tochter heilen. Doch Jesus stellt sich taub. Geht einfach weiter. Tut so, als hörte er sie nicht! Kaum zu fassen: der Freund der Zöllner und Sünder, der grosse Erbarmer und Friedensbringer. Der, welcher voller Gnade und Wahrheit ist, der die Liebe des Vaters in einzigartiger Weise verkündigte und in seiner Person sichtbar werden liess, hat keine Zeit für diese schmerzerfüllte Mutter, die das Einzige tut, was der Mensch in Not tun sollte: sich an Jesus wenden.

Unser Herr macht uns am Beispiel dieser Ausländerin deutlich: Erhörliches Beten braucht manchmal einen «langen Atem». Manche haben für die Errettung ihrer Angehörigen Jahrzehnte gebetet, und öfters wurden diese Gebete erst nach ihrem Tod erhört. So betete Georg Müller, der Waisenvater von Bristol, über 40 Jahre für einen Freund. Er, der in seinem Leben Tausende von Gebetserhörungen erlebte, hat die Erhörung dieses Gebetsanliegens nicht mehr miterlebt. Und doch hat er nicht umsonst gebetet. Der Freund kam während der Trauerfeier von Georg Müller zum lebendigen Glauben!

Erhörliches Gebet ist kein Fordern, sondern unterstellt sich dem Willen Gottes. Die Verheissung «dem Demütigen gibt er Gnade» (1. Petr. 5,5), die sich quer durch die gesamte Heilige Schrift zieht, bewahrheitet sich auch hier. Die Frau wird mit den Strassenkötern auf eine Stufe gestellt. Ihr wird deutlich gesagt, dass sie im Grunde überhaupt kein Recht hat, irgendwelche Gnadenerweise vom Herrn zu erwarten, da sie nicht zum (irdischen) Volk Gottes gehört. Und sie stellt sich ohne Wenn und Aber unter dieses Urteil und vertraut einfach der Gnade des Herrn!

Nicht zuletzt wird ja die Sendung Jesu zunächst nur für Israel gerade im Matthäusevangelium besonders unterstrichen. Aber auch dort wird schon deutlich: Nicht nur für Israel, sondern bis an die Enden der Erde geht sein Auftrag (Jes. 49). Allen gilt das Heil, denn der Heiland kam für alle Menschen in diese Welt.
Wer so betet wie diese Frau, beharrlich und mit einem demütigen Herzen, der darf wissen: Ein solches Gebet wird erhört.

6. «Siehe, die Hand des Herrn ist nicht zu kurz, um zu retten, und sein Ohr nicht zu schwer, um zu hören; sondern eure Ungerechtigkeiten haben eine Scheidung gemacht zwischen euch und eurem Gott, und eure Sünden haben sein Angesicht vor euch verhüllt, dass er nicht hört» (Jes. 59,1–2).

Die Lautstärke tut’s nicht. Auch die Länge unserer Gebete ist nicht entscheidend. Was Gott hier einfordert, ist nichts anderes als ein Leben in der Heiligung. Diese Botschaft ist auch dem Neuen Testament nicht fremd: «Jaget dem Frieden nach und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn schauen wird» (Hebr. 12,14).

In folgenden Problemfeldern, die unsere Gebete hindern können, sind wir besonders gefordert ...

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 01/2021.