Niemandem kann man den Glauben aufzwingen – auch den eigenen Kindern nicht. Warum Eltern trotzdem hoffen dürfen.
Nicola Vollkommer
26. Juli 2018

Wer die Welt positiv verändern will, soll damit anfangen, ein Kind gut zu erziehen, heisst es in einem amerikanischen Sprichwort. Wenn es nur so einfach wäre! Wie oft treffe ich auf meinen Reisen christliche Mütter mittleren Alters, die gebeugt und niedergeschlagen durchs Leben gehen, weil ihre erwachsen gewordenen Kinder – vor allem die Söhne, so scheint es – der christlichen Gemeinde und dem Glauben den Rücken gekehrt haben. Man hat sich doch so viel Mühe gegeben, man wollte alles recht machen und ist auf ganzer Linie gescheitert. Der Schmerz darüber, dass die Kinder Wege gehen, die uns nicht gefallen, ist gross. Selbstzweifel melden sich. War ich kein gutes Vorbild in meinem Glaubensleben?

Nicht auf Biegen und Brechen

Wir machen alle Fehler – vor allem in der Erziehung –, auch wenn wir es noch so gut meinen. Gott weiss das. Jesus fordert uns auf, bei ihm unser Versagen, unsere Lasten und Sorgen abzuladen. Verzweifelte Eltern dürfen immer wieder die Hände falten und wissen, dass der Herr selbst sich um die «verlorenen» Kinder kümmert – auf seine Weise und zu seiner Zeit. Meine Botschaft lautet stets: «Get yourself a life!» («Fang wieder an zu leben!»). Mit hängendem Kopf und zermürbenden Selbstanklagen ist niemandem geholfen.

Fest steht: Beim Thema Kindererziehung mutet Gott uns ganz schön was zu. Auf der einen Seite sagt die Bibel unmissverständlich, dass die Entscheidung für oder gegen den Glauben an Jesus gewaltige Konsequenzen für Zeit und Ewigkeit hat. Es geht um Leben und Tod. Auf der anderen Seite kann niemand zu diesem Glauben gezwungen werden, die eigenen Kinder schon gar nicht.

In Anbetracht der Reichweite dieser Entscheidung geht die Bibel allerdings überraschend entspannt mit dem Thema Kindererziehung um. Sie setzt weniger auf Methoden als auf Vorbild, auf den Einfluss der «Community» und vor allem auf Langzeitwirkung. Keiner ihrer Helden ist darauf fixiert, seinen Nachwuchs zu geistlichen Paradehengsten oder Musterchristen zu erziehen. Vielmehr ist es so, dass Männer und Frauen für Gott Feuer fangen, einen Auftrag von ihm bekommen und eine Gefolgschaft hinter sich ziehen, ohne es unbedingt zu beabsichtigen. Logischerweise fängt dies meist mit der eigenen Familie an. Feuer steckt an, im geistlichen wie in jedem anderen Bereich. Aber eben nicht immer. Und nicht unbedingt über Nacht. Gute Könige im Alten Testament hatten böse Söhne, böse Könige hatten gute Söhne. Eine gewisse Willkür spielt in jeder Familiensippe mit.

Diese Beobachtungen befreien vom Druck, aus unseren Sprösslingen auf Biegen und Brechen Missionare in Kleinformat zu machen oder Junior-Bibelexperten und leistungsstarke Alleskönner. Sie bieten jenen Eltern Kraft und Hoffnung, deren Kinder zunächst mal andere Wege gehen.

(Artikelauszug aus ethos 08/2018)