– über Mechanismen, wie Parasiten auf Kosten anderer Tiere (Wirtstiere) leben, ihnen ihren Willen aufzwingen und sie gar in den Tod treiben.
Alexander vom Stein
20. Juli 2018

Je grösser der Einblick, den die Forschung in die Lebensweise von Parasiten gewinnt, desto mehr Mechanismen werden entdeckt, mit denen sie das Verhalten ihrer Wirtsorganismen durch die Manipulation des Gehirns in ihrem Sinn beeinflussen.

mortale:rituale

Ein Bandwurm (Schistocephalus solidus) zwingt den Ruderfusskrebs (Copepoda) förmlich, seine Deckung zu verlassen und ins offene Wasser zu schwimmen, um dort von einem Stichling (Gasterosteus aculeatus) verschlungen zu werden, den er kurz darauf an die Wasseroberfläche schwimmen und auffällig herumplantschen lässt. Für Graureiher (Ardea cinerea) oder andere fischende Vögel ist das die Botschaft: «Hier zapple ich, ich kann nicht anders – jetzt friss mich schon!» So gelangt der Parasit in den Magen seines Endwirtes. Aus dem Regenwald sind verschiedene Parasiten bekannt, die Ameisen oder Raupen in bunten Farben leuchten und an auffälligen Plätzen herumtanzen lassen, um dadurch ebenfalls in einem Vogelmagen zu landen. Der Saitenwurm (Spinochordodes tellinii) lebt in Heuschrecken, die er irgendwann ins Wasser springen lässt, wo sie ertrinken, während er diese Umgebung braucht, um auszuschlüpfen, einen Partner zu finden und sich fortzupflanzen.

schaben:vergraben

Ein beeindruckendes Schauspiel liefert das Brutverhalten der wunderschön gefärbten Juwelwespe (Ampulex compressa), die ihrem Nachwuchs in mütterlicher Fürsorge ein riesiges Proviantpaket mit auf den Weg gibt. Zu diesem Zweck überfällt sie eine Amerikanische Grossschabe (Periplaneta americana), die doppelt so gross und mehr als viermal so schwer ist wie sie selbst. Sie könnte diese Beute niemals wegtransportieren – was aber auch gar nicht nötig ist, denn sie macht sie sich auf raffinierte Weise zum willenlosen Sklaven: Zunächst platziert sie einen Stich in einen Nervenknoten im Brustbereich, injiziert eine kleine Menge Gift und lähmt damit die Vorderbeine der Schabe für einige Minuten. Nun kann sie, da keine Gegenwehr mehr zu erwarten ist, in Ruhe den Kopf fixieren und mit chirurgischer Präzision den langen und flexiblen Stachel tief in einen bestimmten Bereich des Schabenhirns einführen, in dem unter anderem der Fluchtreflex angesiedelt ist. Was sie anschliessend dort einspritzt, ist ein komplexer Cocktail aus Neurotoxinen, der die Schabe völlig umprogrammiert. Als Erstes verspürt sie den Drang, sich ausgiebig zu putzen, wobei sie eventuell anhaftende Pilzsporen oder bakterielle Verunreinigungen abstreift. Danach verliert sie ihren natürlichen Bewegungsdrang, also jede Motivation, selbsttätig irgendwohin zu laufen. Die Wespe kann sich jetzt einfach einen ihrer Fühler greifen und sie wie ein zahmes Pferd umherführen. Sie steuert eine vorbereitete Bruthöhle an, «parkt» die Schabe dort und heftet ihr ein einzelnes Ei unter den Bauch. Schliesslich mauert sie den Eingang des Geleges zur Tarnung mit kleinen Steinen zu, während die Schabe wie angewurzelt auf ihrem «Parkplatz» stehenbleibt. Nach drei Tagen schlüpft eine kleine Wespenlarve aus dem Ei und macht sich daran, ihren «Proviant» auszuschlachten. Dabei erstaunt ihr planmässiges Vorgehen: Zuerst schlürft sie nur ein wenig Körperflüssigkeit, nach einigen Tagen bohrt sie sich in die Schabe hinein und frisst dort zunächst Muskulatur und Fettreserven. Erst ganz zuletzt fällt sie über die lebenswichtigen Organe her und führt damit den Tod ihres Wirtes herbei. Nach acht Tagen ist der Körper vollständig ausgehöhlt und die Larve umspinnt sich im Innern mit einem weichen Kokon, den sie einen Monat später als erwachsene Wespe verlässt – um irgendwann selbst zum «Schabenflüsterer» zu werden.

(Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 07/2018)