Bestechende Schönheit, tödliche Falle und – geniale Rechenkünstlerin.
Eugen Scheible
8. April 2016

Die fleischfressende Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) ist eine wahre Wunderpflanze. Sie zählt, wie oft sie ein Insekt berührt, woraus sie wiederum den Aufwand für die Verdauung berechnet. Das haben Pflanzenwissenschaftler der Universität Würzburg entdeckt. Das Ganze bewerkstelligt die Pflanze mit ihren empfindlichen Blattspitzen, die zu tellerförmigen Fallen ausgebildet und mit Sensoren versehen sind. Damit kann sie Fliegen und andere Insekten erkennen, fangen und verdauen.


Ausgeklügelter Fangmechanismus

Wird ein Sinneshaar auf der Venusfliegenfalle nur leicht bewegt, meldet es den ersten Beutekontakt über ein bioelektrisches Signal. Bei einer einmaligen Berührung, wie es etwa bei einem schwankenden Grashalm oder einem winzig kleinen Käferchen geschieht, erfolgt keine Reaktion. Zur Auslösung der Klappfalle sind immer mehrere Reiz-impulse erforderlich: entweder zweimaliges kurzes Berühren eines Tasthaares oder einmaliges Berühren gleichzeitig zweier Tasthaare, wie es nur bei grösseren Insekten vorkommen kann. Dann klappt die Falle blitzschnell zu – innerhalb 100 Millisekunden – und schliesst die Beute mit den exakt gitterartigen ineinandergreifenden Wimpern wie in einem Gefängnis ein. Beide möglichen Abläufe müssen aber innerhalb von 20 Sekunden erfolgen, um den Schliessmechanismus überhaupt auszulösen. Diese Verschlusszeit gehört zu den schnellsten Bewegungen im ganzen Pflanzenreich.

Würde ein Beutetier nun ruhig bleiben, gäbe es kein weiteres Signal. Bei diesem Szenario öffnet sich die Falle nach einem halben Tag wieder. Weil die gefangenen Tiere sich aber heftig wehren, lösen sie dadurch ein wahres Signalfeuer aus, das ihr Schicksal endgültig besiegelt.

(Artikelauszug aus ethos 04/2016)