Fische statt Blumen – damit wirbt der Eisvogel um die Dame seines Herzens – Verbeugung inklusive! Aber auch in Sachen Nestbau ist der gewandte Jäger schlicht genial.
Kevin Winterhoff
1. Januar 2017

Der Eisvogel gehört zweifellos zu den attraktivsten und auffälligsten Vogelarten Mitteleuropas. Mit seinem leuchtenden Federkleid erinnert er beim Flug an einen funkelnden Edelstein. Menschen fanden ganz verschiedene Bezeichnungen für ihn: Seespecht, Paradiesvogel, Blauspecht, Wasserspecht. Woher der Name Eisvogel wirklich stammt, ist bis heute ungeklärt. Sicher ist, dass er nichts mit Eis und Schnee zu tun hat. Einige Experten vermuten, es läge an der eisblauen Rücken- und Kopffarbe, andere wiederum verweisen auf die Verbindung zum altdeutschen «eisan» (= glänzen oder schillern), während manche das baskische Wort für Wasser «iz» als Wortherkunft für wahrscheinlich halten.


Liebe auf den ersten Blick

Mit fünf Jahren kam ich zum ersten Mal mit dem etwa sperlingsgrossen Fischjäger in Berührung. Mein Vater und ein Freund hatten Fotos von ihm geschossen, die mich dermassen faszinierten, dass ich mich gleich in ihn verliebte. So war es mein grösster Wunsch, ihn einmal selber beobachten zu dürfen.

Viele Jahre später, im Februar, befand ich mich auf Streifzug an einem nahe gelegenen Fluss. Der Schnee wehte mir um die Ohren, die Wassertemperatur betrug kaum mehr als 2 °C, als plötzlich ein kleiner blauer Blitz an mir vorbeischoss. «Das ist er, der Eisvogel!» Hastig begab ich mich in Deckung und bemerkte nach kurzer Zeit etwa sechs verschiedene Tiere, die sich gegenseitig aufscheuchten und von den besten Ansitzästen verjagten. Offensichtlich war Balzzeit und die Vögel kämpften um die besten Brutreviere. Voller Vorfreude baute ich am nächsten Morgen mein Tarnversteck an einer geeigneten Stelle auf. Versehen mit Wathose und Dreibeinhocker sass ich nun im knietiefen Wasser am Rande des Flussbettes und wartete und wartete … bis mich ein innerer Dämmerzustand überkam …

«ZIIIItiii!» Blitzschnell war ich hellwach – hatte ich nur geträumt oder war gerade wirklich ein Eisvogel in der Nähe meines Zeltes gelandet? Vorsichtig schaute ich hinaus und traute meinen Augen nicht: Ein Eisvogel sass auf einem kaum mehr als sechs Meter entfernten Ast. Immer wieder knickste er mit seinem Schwanz und bewegte sich aufgeregt hin und her. Beim ersten Morgenlicht fing er an, kleine Fische zu suchen. Mehrmals schoss er nach einem kurzen Flatterflug ins Wasser. Dabei blieb er manchmal – einem Kolibri gleich – auf der Stelle stehen, rüttelte in der Luft, um sein Ziel anzuvisieren, und stürzte sich alsbald wieder auf neue Beute.

(Artikelauszug aus ethos 1/2017)