Zum Thema «verfälschte Berichterstattung und Einschränkung der Meinungsfreiheit» hat ethos mit dem freischaffenden Publizisten und Autor diverser Bücher, Stefan Frank, gesprochen.
Daniela Wagner
19. September 2017

Ein wesentlicher Bestandteil der Meinungsbildung geschieht durch die Medien, deren Berichterstattung sich der Objektivität verpflichtet. Wie sehr entspricht das Bild, das die Medien zeichnen, der Realität?
Stefan Frank: Die Verpflichtung, objektiv zu berichten, gerät immer mehr ins Hintertreffen. Wichtig ist die richtige Gesinnung. Wir leben in einem sehr moralischen Zeitalter – nur dass die Moral eine ganz andere ist als noch vor 20 Jahren. Als guter Mensch gilt, wer europafreundlich, CO2-neutral und tolerant ist – aber nur selektiv tolerant. Ein Journalist, der alle diese «Werte» hochhält, darf in seinen Berichten so tendenziös, polemisch und manipulativ sein, wie er will, keiner nimmt es ihm krumm; es wird ihm auch nachgesehen, wenn er es mit der Wahrheit nicht genau nimmt – denn er ist ja vermeintlich einer der Guten und der Zweck heiligt die Mittel. Im Umkehrschluss heisst das, dass Journalisten und Redakteure sich das Recht nehmen, wütend auf alle einzuschlagen, die aus der Reihe tanzen. Und wenn jemand einmal als einer ausgewiesen ist, der nicht zu diesem Verein vermeintlich guter Menschen gehört, dann wird man nichts Gutes oder auch nur Neutrales mehr über ihn lesen. Das gilt für alle, die im Verdacht stehen, sich dem Zeitgeist auf die eine oder andere Art zu verweigern.

 

Welches sind die Mechanismen, mit denen ein falsches Bild erzeugt wird? Können Sie dies mit Beispielen untermauern?
Vielen Journalisten und Intellektuellen ist es am wichtigsten, welches Bild sie selbst abgeben: Sie wollen sich als Mitglied des Clubs ausweisen, den ich eben beschrieben habe. Sie wollen zeigen, dass sie den neuesten Diskurs mitbekommen haben und so denken wie die anderen. Das tun sie etwa durch die Wortwahl. Wenn man z. B. in einem Artikel liest, der Politiker Soundso habe auf Kritik «gelassen reagiert», während die Kritiker «tönen», «wettern» oder «schimpfen», dann weiss man, auf wessen Seite der Journalist steht. Und er hofft natürlich, die Leser auf seine Seite zu ziehen. Oder nehmen wir zwei Themen, denen breiter Raum in der Berichterstattung eingeräumt wird: der jüdisch-muslimische Konflikt – «Nahostkonflikt» nennen ihn die Journalisten noch heute, nach Hunderttausenden Toten in Syrien und allgemeinem Chaos in der arabischen Welt – und die Masseneinwanderung. Der Hass vieler Muslime auf Juden wird in den Berichten als «Sorge», «Furcht» und «Verzweiflung» der «Palästinenser» codiert. Umgekehrt wird die berechtigte Angst vieler Europäer vor den Folgen der Migration von Millionen junger muslimischer Männer nach Europa als «Hass» und «Vorurteil» bezeichnet. Die Trennung von Bericht und Kommentar ist völlig aufgehoben. Der Bericht ist die Fortsetzung des Leitartikels mit anderen Mitteln.

 

Wer gibt die Richtung vor, wie über ein Thema – oder ob überhaupt – berichtet wird? Der «kleine» Journalist? Der Chefredakteur? Der Verlag? Die Politik? Die Gesellschaft? – Was grad «in» ist?
Bei einer Zeitung gibt der Chefredakteur die Ausrichtung vor. Beim Fernsehen gibt es Redaktionsleiter, den Intendanten und eine kafkaeske Hierarchie von Leuten, die etwas zu sagen haben. Das ist an sich nichts Schlimmes. Leider gibt es in der Gesellschaft eine Strömung, die alle Boote in dieselbe Richtung treibt. Bei Themen, die im ideologischen Kanon wichtig sind, ist wenig Raum für Abweichung. Immer wieder gibt es Fälle, wo ein Journalist etwas schreibt oder dreht, was er für sehr interessant hält, dann aber zurückgepfiffen wird. Man denke an den jüngsten Fall der ARTE-Dokumentation über Antisemitismus, die fix und fertig war, aber nicht gesendet wurde, weil sie den Programmverantwortlichen nicht behagte: Es kommt dort nämlich auch der muslimische Antisemitismus und der Antisemitismus im Gewand der «Israelkritik» zur Sprache. Erst nach langer Debatte und unter grossem Druck wurde sie dann doch ausgestrahlt.

(Artikelauszug aus ethos 9/2017)